Anbindehaltung von Rindern im Ökolandbau
Ausnahme nur aus tierärztlichen oder tierschutzrechtliche Gründen (Stand: 01.11.2023)
Grundsätzlich ist Anbindung oder Isolierung von Tieren im ökologischen Landbau verboten. Jedoch gibt es Ausnahmen, die es zulassen, von dem Verbot für einen begrenzten Zeitraum abzuweichen. Dies ist dann der Fall, wenn tierärztliche oder tierschutzrechtliche Gründe eine zeitlich begrenzte Isolierung rechtfertigen, zum Beispiel wenn die Arbeitssicherheit gefährdet ist.
Eine Anbindung von Rindern in landwirtschaftlichen Betrieben kann von der zuständigen Länderbehörde, in Niedersachsen das LAVES, genehmigt werden. Jedoch ist diese Ausnahmegenehmigung auf maximal 50 Tiere, ausgenommen Jungrinder, und in der Regel zeitlich begrenzt. Sie unterliegt weiteren Vorgaben sowie Nebenbestimmungen. Es ist zu beachten, dass eine neue Öko-Verordnung seit dem 01.01.2022 in Kraft getreten ist. Somit müssen alle vor dem Datum erteilten Ausnahmegenehmigungen mit veraltetem Verordnungsbezug spätestens mit Ablauf des Befristungsdatums erneut vom Betrieb beantragt, von der zuständigen Öko-Kontrollstelle geprüft und befürwortet sowie von der zuständigen Behörde genehmigt werden. In der Vergangenheit ausgestellte Ausnahmegenehmigungen ohne Befristung sind aufgrund der neuen Öko-Verordnung nicht mehr gültig und müssen ebenfalls erneut beantragt werden, insofern sich keine Änderung des Haltungssystems in der Zwischenzeit ergeben hat. Die Rechtsgrundlage für eine solche Ausnahmegenehmigung finden Sie in Artikel 14 der EU-Öko-Verordnung 2018/848 in Verbindung mit Anhang II Teil II unter Punkt 1.7.5. Entsprechende Antragsformulare erhalten Sie über die zuständige Öko-Kontrollstelle.
Grundvoraussetzung für eine Antragsstellung ist, dass die betreffenden Rinder nicht in Gruppen gehalten werden können, deren Größe ihren verhaltensbedingten Bedürfnissen gerecht wird.
Die Ausnahmegenehmigungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken und werden ausschließlich gewährt, wenn sie für die Aufnahme oder die Aufrechterhaltung der ökologischen Produktion in Betrieben mit klimabedingten, geografischen oder strukturellen Bedingungen unabdingbar sind. In der Praxis betrifft dies zum Beispiel lang bestehende Öko-Betriebe mit Altgebäuden und damit verbundenen stark eingeschränkten Möglichkeiten eines Stallumbaus. Sollte sich zudem abzeichnen, dass die Unternehmerin oder der Unternehmer aus Altersgründen beispielsweise die Tierhaltung im ökologischen Landbau und somit die Anbindehaltung zeitnah aufgeben wird, kann ein solcher Antrag von der zuständigen Behörde für einen begrenzten Zeitraum genehmigt werden.
Eine wesentliche Vorgabe ist, dass Rinder in Anbindehaltung während der gesamten Weideperiode Zugang zu Weideland haben und ein Maximum an Weidegang gewährt wird. Die Tiere dürfen lediglich dann aufgestallt werden, wenn Witterungsbedingungen, jahreszeitliche Bedingungen und der Zustand es Bodens einen Weidegang nicht zulassen, zum Beispiel bei einer langanhaltenden Frostperiode.
In dieser Zeit ist mindestens zweimal wöchentlich Zugang zu Freigelände zu gewähren. Die Zeiten des Weideaustriebs und des Freigeländezugangs in der Winterhaltungsperiode sind vom Betrieb nachweislich zu dokumentieren. Die Öko-Kontrollstelle hat die Aufgabe mindestens jährlich zu überprüfen, ob die Vorgaben und Nebenbestimmungen zur Anbindehaltung eingehalten werden. Bei Verstößen gegen die Vorgaben und/oder Nebenbestimmungen ist die zuständige Behörde umgehend zu informieren.
Allgemein ist eine Anbindehaltung von Rindern sehr kritisch zu sehen. Dies stützt sich darauf, dass bereits im Jahre 2006 im nationalen Bewertungsverfahren dieses Haltungssystem als Verfahren eingestuft wurde, in dem nahezu alle Verhaltensweisen der Tiere erheblich eingeschränkt werden. Diese sind vor allem das Bewegungsverhalten sowie das Sozial- und Komfortverhalten. Damit sind unter anderem die Möglichkeiten uneingeschränkter Körperpflege, wie Kratzen und Scheuern, sowie arttypisches Ablegen ausüben zu können, gemeint. Das Ablegen von Rindern zum Ausruhen kann zum Beispiel dahingehend beeinträchtigt sein, dass der sogenannte Ausfallschritt nicht vom Tier vollzogen werden kann, da nach vorne hin eine Begrenzung vorhanden ist.
Somit wird eine Ausnahmegenehmigung von der zuständigen Behörde, in Niedersachsen das LAVES, in der Regel unter der Voraussetzung erteilt, dass der betreffende Betrieb bestrebt ist, längerfristig aus der Anbindehaltung auszusteigen und ein tiergerechteres Haltungssystem umzusetzen. Diese Forderung stützt sich darauf, dass im Ökolandbau ein besonders hohes Tierschutzniveau und insbesondere die Erfüllung der artspezifischen verhaltensbedingten Bedürfnisse der Tiere angestrebt wird.
Quellenverzeichnis:
- Art. 6 (l) der VO (EU) 2018/848
- Art. 14 der VO (EU) 2018/848 i. V. mit Anhang II, Teil II, Pkt. 1.7.3., 1.7.5., 1.9.1.1. b)
- ALB Hessen (Hrsg.): Entwicklung von praktischen Konzepten für den Ausstieg aus der Anbindehaltung, ISSN: 0945-4985, 9
- HOY, St. (Hrsg.) (2009): Nutztierethologie, Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart, 83
- HOY; GAULY; KRIETER (2006): Nutztierhaltung und -hygiene, Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart, 17
- 4985, 9
- HOY, St. (Hrsg.) (2009): Nutztierethologie, Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart, 83
- HOY; GAULY; KRIETER (2006): Nutztierhaltung und -hygiene, Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart, 17