Nottötung privat gehaltener Zierfische
Rechtsgrundlagen und deren praktische Umsetzung
Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht ist jeder Tierhalter grundsätzlich verpflichtet, sich im Falle einer Erkrankung seiner von ihm gehaltenen Tiere tierärztlichen Rat einzuholen. Es kann jedoch zu gewissen Situationen kommen, bei denen eine schnelle Nottötung angezeigt ist, um weitere Leiden zu vermeiden. Die tierschutzgerechte Nottötung von Zierfischen durch den Tierhalter stellt in der Praxis oft eine besondere Herausforderung dar. Häufig ist der Aquarianer mit der Tötung eines Wirbeltieres überfordert und zögert diese hinaus oder vermeidet sie vollständig. So kann es in Heimaquarien oder Gartenteichen zu tierschutzrelevanten Zuständen kommen und somit zu einer unnötig langen Leidensphase vor dem Verenden der Tiere. Entschließt sich ein Halter doch zur Tötung eines moribunden (todgeweihten) Tieres, können die gewählten Tötungsmethoden tierschutzwidrig sein wie die Entsorgung mit der Toilettenspülung oder das Einfrieren ohne vorherige Tötung. Dieser Artikel soll Tierhaltern eine Hilfestellung geben, wie Zierfische unter Berücksichtigung eines vernünftigen Grundes und im Sinne einer Nottötung fachgerecht und rechtssicher zu töten sind.
2.1 Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren
Deutschland hat das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren vom 13. November 1987 ratifiziert. Als Heimtier gilt ein Tier, das der Mensch insbesondere in seinem Haushalt zu seiner eigenen Freude und als Gefährten hält oder das für diesen Zweck bestimmt ist. Hierunter fallen auch Zierfische. Gemäß Artikel 4 des Übereinkommens ist der Tierhalter für die Gesundheit und das Wohlbefinden seiner Tiere verantwortlich, somit besteht auch die Pflicht diese täglich zu bewerten und bei Beeinträchtigungen dieser tätig zu werden.
Artikel 11 des Übereinkommensregelt, dass nur ein Tierarzt oder eine andere sachkundige Person ein Heimtier töten darf, außer in einem Notfall, wenn ein Tier von seinen Leiden erlöst werden muss und die Hilfe eines Tierarztes oder einer anderen sachkundigen Person nicht umgehend erlangt werden kann. Das Töten muss mit einem möglichst geringen Maß an physischen und psychischen Leiden erfolgen. Außer in einem Notfall muss die gewählte Methode entweder zu sofortiger Bewusstlosigkeit und zum Tod führen oder mit einer tiefen allgemeinen Betäubung beginnen, gefolgt von einer Maßnahme, die sicher zum Tod führt.
Gemäß der Haltungsnorm (§ 2) des Tierschutzgesetzes (TierSchG) muss wer Fische hält, diese unter anderem art- und bedarfsgerecht ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Außerdem muss jeder Fischhalter, auch ein Heimaquarianer oder Gartenteichbesitzer, über eine entsprechende Sachkunde verfügen. § 4 TierSchG schreibt vor, dass Wirbeltiere, und somit auch Fische, nur unter Betäubung oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden dürfen. Ferner setzt der Gesetzgeber für die Tötung von Wirbeltieren immer entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten voraus, die jedoch lediglich im Falle einer berufs- oder gewerbsmäßigen Tätigkeit der Behörde gegenüber mit einem Sachkundenachweis zu belegen ist.
Wer im Übrigen ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet, begeht gemäß § 17 Nr. 1 TierSchGeine Straftat. Es muss also im Vorfeld eine deutliche Abwägung stattfinden und geprüft werden, ob ein vernünftiger Grund zur Tötung tatsächlich vorliegt (siehe Abschnitt 3.4 und Abbildung 6 "Entscheidungsbaum Nottötung").
2.3 Tierschutz-Schlachtverordnung
Mit der Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) hat der Gesetzgeber eine Spezialvorschrift erlassen, die nähere Regelungen unter anderem zum Töten von Fischen enthält.
Es ist jedoch festzuhalten, dass Zierfische nicht vom Anwendungsbereich dieser Verordnung betroffen sind, da sie nicht für die Gewinnung von Fleisch, Häuten, Pelzen oder sonstigen Erzeugnissen bestimmt sind. Dennoch soll die Verordnung als Orientierung für die tierschutzgerechte Betäubung und Tötung von Zierfischen dienen.
Gemäß § 12 Absatz 10 TierSchlV muss wer einen Fisch schlachtet oder tötet, diesen unmittelbar vor dem Schlachten oder Töten nach Maßgabe der Anlage 1 Nr. 9 TierSchlV betäuben. Nähere Informationen zu den zugelassenen Fischbetäubungsverfahren enthält der Artikel „Betäubung und Schlachtung oder Tötung von Fischen und Krebstieren“. Für privat gehaltene Zierfische sind aus praktischen Gründen zwei zugelassene Verfahren in Betracht zu ziehen:
- Stumpfer Schlag auf den Kopf - gemäß Anlage 1 Nr. 5 TierSchlV ist der stumpfe Schlag auf den Kopf mit einem geeigneten Gegenstand und ausreichend kräftig auszuführen. Ein den Tod herbeiführendes Verfahren muss unmittelbar danach durchgeführt werden.
- Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt, ausgenommen Stoffe wie Ammoniak, die gleichzeitig dem Entschleimen dienen.
3 Praktische Umsetzung rechtlicher Anforderungen
Wie bereits erwähnt existieren keine konkreten rechtlichen Anforderungen an die (Not-) Tötung von Zierfischen in Bezug auf die Ausführung. Dennoch ist die grundsätzliche Verpflichtung zur Betäubung vor Tötung gemäß § 4 des Tierschutzgesetzes zu beachten und sollen möglichst Verfahren verwendet werden, die gemäß der Tierschutz-Schlachtverordnung für Fische zugelassen sind (siehe Abschnitt 2.3).
3.1 Kopfschlag
Bei der Kopfschlagbetäubung handelt es sich um ein einfaches und tierschutzgerechtes Verfahren, das überall durchführbar ist. Der stumpfe Schlag auf den Kopf führt bei präziser Ausführung und ausreichendem Kraftimpuls in Abhängigkeit der Fischart zu einer raschen Betäubung. Um den Kopfschlag gezielt durchzuführen, sind Kenntnisse über die anatomische Lage des Gehirns im Schädel der jeweiligen Fischart unerlässlich. Der Schlag sollte mit einem harten, stumpfen und schweren Gegenstand durchgeführt werden. Ein den Tod herbeiführendes Verfahren muss unmittelbar nach der Kopfschlagbetäubung durchgeführt werden, zum Beispiel Entblutung mittels Kiemenrundschnitt oder Durchtrennung des Genicks. Mehr Informationen zur Kopfschlagbetäubung im Artikel „Betäubung und Schlachtung oder Tötung von Fischen und Krebstieren“.
Der Kopfschlag ist jedoch aus praktischen Gründen für kleine (Körperlänge unter etwa 15-20 cm) und/oder hochrückige (zum Beispiel Diskusfische, Skalare - siehe Abbildung 1) Zierfische, die von Hand nicht sicher fixiert werden können, kein geeignetes Verfahren.
3.2 Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt
In Abhängigkeit des verwendeten Betäubungsmittels und der zu betäubenden Fischart kann die Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt als ein aus Sicht des Tierschutzes geeignetes Verfahren zur Betäubung von Fischen bewertet werden. Entscheidend ist, dass das Betäubungsmittel in ausreichender Dosierung verwendet wird und zum schnellen Bewusstseinsverlust führt. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass beim Einsatz von beispielsweise Nelkenöl eine adäquate, schnell eintretende Betäubung erzielt wird, die ausreichend lang andauert. Das Verfahren ist überall ohne großen Aufwand durchführbar. Das in Apotheken in Arzneibuchqualität erhältliche ätherische Nelkenöl ist freiverkäuflich, nicht verschreibungspflichtig und kann demnach durch private Tierhalter zur Betäubung von Fischen angeschafft und verwendet werden. Das trifft auch auf freiverkäufliche Arzneimittel zur Betäubung oder Tötung von Zierfischen zu, die zum Beispiel im Zoofachhandel erhältlich sind.
3.2.1 Praktische Durchführung der Betäubung und Tötung von Zierfischen unter Verwendung eines Stoffes mit Betäubungseffekt
Grundsätzlich sollten bei allen Arbeitsschritten Handschuhe (zum Beispiel Nitril, Latex) getragen werden und alle benötigten Materialien bereit stehen.
- Zunächst wird ein ausreichend großes Betäubungsgefäß bereitgestellt, in dem der Fisch sich frei bewegen kann, um eine gute Verhaltensbeobachtung im Zuge der einsetzenden Betäubung zu gewährleisten. Die Gefäßgröße sollte somit an die Fischgröße angepasst werden. Das Gefäß wird mit Wasser gefüllt, das die gleiche Temperatur wie das Wasser haben sollte, in dem der Fisch gehalten wird.
- Bei der Verwendung von ätherischem Nelkenöl wird empfohlen, eine Emulsion zum Beispiel mit Milch oder Kondensmilch (Mischungsverhältnis ca. 1:10) herzustellen, um die Löslichkeit zu verbessern. Dazu wird die benötigte Menge an Nelkenöl mit Milch oder Kondensmilch in einem kleinen Gefäß durch mehrmaliges Schwenken gemischt. Für eine ausreichend tiefe Betäubung werden pro Liter Wasser mindestens 0,5 ml (etwa 10 Tropfen) Nelkenöl benötigt (siehe Video 1).
- Das Betäubungsmittel bzw. die Emulsion wird dem Wasser im Betäubungsgefäß zugegeben und gut durchmischt. Bei Verwendung einer Emulsion kann die Durchmischung optisch durch die gleichmäßige Trübung der Flüssigkeit verifiziert werden (siehe Video 1).
- Der moribunde (todgeweihte) Fisch wird nun unter der Vermeidung von unnötigem Stress mit einem Kescher aus dem Aquarium oder Gartenteich herausgefangen und schonend in das Betäubungsgefäß gesetzt (siehe Video 2).
- Eine Kontrolle der Betäubungswirkung ist unerlässlich. Die Feststellung, ob Fische aufgrund der Betäubung tatsächlich wahrnehmungslos sind, ist jedoch nicht unproblematisch. Zu dem Zweck ist zum Beispiel das Verhalten der Tiere vor und nach Einsetzen der Betäubung zu beurteilen.
Folgende Beobachtungen können Hinweise auf eine Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit sein:
- Verlust von koordinierten Schwimm- und Flossenbewegungen, Gleichgewichtsverlust (siehe Video 2)
- Verlust des Körpertonus
- Aussetzende Atmung
- Verlust des Augendrehreflexes (siehe Abbildung 5 und Video 2)
- Keine Reaktion auf die Berührung von Kiemen oder Barteln
Dieser Zustand sollte sich nach wenigen Minuten einstellen. Dennoch sollte das Tier mindestens weitere 10 Minuten in der Betäubungsflüssigkeit verbleiben. - Tötung: Anschließend wird, nach Überprüfung und Bestätigung des Vorliegens einer tiefen Betäubung, mit Hilfe einer Schere oder eines Messers die Wirbelsäule und somit das Rückenmark in der Genickregion direkt hinter dem Kopf durchtrennt und dadurch der Fisch getötet (siehe Video 3). Alternativ kann auch ein Kiemenrundschnitt erfolgen. Auch wenn die Verabreichung eines Betäubungsmittels bei entsprechend hoher Dosierung und langer Einwirkung letal wäre, sollte dennoch im Stadium der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit immer ein Genickschnitt (Durchtrennung der Wirbelsäule und des Rückenmarks) durchgeführt werden, um eine sichere Tötung zu gewährleisten. Ein vorhandener Augendrehreflex (siehe Abbildung 5) deutet immer auf eine nicht ausreichende Betäubung hin.
3.3 Weitere Verfahren
Soweit es nach den gegebenen Umständen zumutbar ist (Abwägung!), kann im Rahmen einer Nottötung zwar auf eine Betäubung verzichtet werden. In dem Zusammenhang ist beispielsweise der Genickschnitt („Scherenschlag“) ohne vorherige Betäubung zu nennen. Dennoch ist eine vorgeschaltete Betäubung aus ethischen Gründen grundsätzlich geboten, zumal das Verfahren wie oben dargestellt auch Zierfischhaltern durchaus zugemutet werden kann. Weitere Verfahren wie beispielsweise das Umsetzen von tropischen Zierfischen in Eiswasser oder das Eintauchen in kochendes Wasser sind nicht ausreichend erprobt und/oder führen nicht zur schnellen und ausreichend tiefen Betäubung und/oder sind mit Schmerzen oder Leiden verbunden (siehe auch Fachinformation 16.5 des Schweizer Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen) und für die Betäubung bzw. Schlachtung oder Tötung von Fischen, die der Lebensmittelgewinnung dienen, rechtlich nicht zulässig.
Vor jeder Tötung eines Tieres muss gewissenhaft abgewogen werden, ob ein vernünftiger Grund für die Tötung vorliegt. Dieser ist bei moribunden (todgeweihten) Tieren gegeben. Wenn die Tötung eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund erfolgt, liegt ein Straftatbestand gemäß § 17 Nr. 1 des Tierschutzgesetzes vor (siehe Abschnitt 2.2).
Es sollte im Allgemeinen wie folgt verfahren werden:
Bei der Feststellung von unerwünschten Veränderungen des Habitus (Verhaltung und Aussehen) bei gehaltenen Tieren ist der Tierhalter verpflichtet zu handeln. Zu beobachtende Abweichungen sind zum Beispiel:
- Erhöhte Atemfrequenz
- Schleimhautveränderungen
- Makroskopisch erkennbare Parasitenstadien (siehe Abbildung 3)
- Farbveränderungen
- Apathie/Absonderung
- Abmagerung
- Verlust des Gleichgewichtssinnes
- Verletzungen/Nekrosen/Ulzerationen
- Tumoröse Zubildungen mit negativer Beeinflussung der Fortbewegung und/oder der Nahrungsaufnahme
Zunächst muss der Tierhalter die aktuellen Haltungsbedingungen wie zum Beispiel die Wassertemperatur, die Wasserqualität, die Funktionalität der Filtereinrichtungen und die Fütterung kritisch überprüfen. Finden sich dort Abweichungen, sind diese durch eine entsprechende Maßnahmen wie Wasserwechsel oder Filterreinigung bzw. -instandsetzung zu korrigieren. Falls sich in dem Bereich keine Abweichungen feststellen lassen, die Auffälligkeiten nicht auf die Haltungsbedingungen zurückzuführen sind oder die Auffälligkeiten trotz Optimierung der Haltungsbedingungen weiterhin fortbestehen, sollte ein Tierarzt hinzugezogen werden, insbesondere wenn eine Krankheitsdiagnose und -behandlung anderweitig nicht möglich ist.
Sind die festgestellten Abweichungen bei Einzeltieren, nach Einschätzung des Halters, jedoch so gravierend (siehe Abbildung 4), dass ein Überleben des Tieres unwahrscheinlich ist oder nur mit länger andauernden Schmerzen, Leiden oder Schäden möglich wäre, ist er verpflichtet das Tier ohne zeitlichen Verzug durch Herbeiführung des Todes (Nottötung) zu erlösen. In diesem Fall kann die Hinzuziehung eines Tierarztes im Sinne des Tierwohls unterbleiben.
Diese Abwägung ist immer eine Einzelfallentscheidung und muss dementsprechend für jeden einzelnen Fisch getroffen werden und darf nicht hinausgezögert werden. Die Verantwortung hierfür liegt beim Tierhalter.
Führen die Abweichungen nicht zu dem oben angeführten Urteil, oder traut sich der Tierhalter nicht zu dieses zu treffen, ist es spätestens jetzt angezeigt einen fachkundigen Rat einzuholen oder den Tierarzt hinzuzuziehen.
Im weiteren Verlauf kann es angezeigt sein, auffällige Tiere zu isolieren um sie besser beobachten zu können. Auch sollte eine tägliche Neubewertung des Allgemeinzustands nach Beginn einer Therapie durchführt werden. Stellt sich keinerlei Besserung oder gar eine deutliche Verschlechterung ein, ist die Nottötung durch den Tierhalter oder die Euthanasie durch den Tierarzt angezeigt.
Falls eine weitergehende Untersuchung des getöteten Tieres geplant ist, sollte die weitere Aufbewahrung des Tierkörpers und der Transport mit der Untersuchungsstelle abgeklärt werden.
Mit der Möglichkeit der Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt steht auch für Heimaquarianer oder Gartenteichhalter eine praktikable Methode für die Nottötung von Zierfischen zur Verfügung. Auch wenn die Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt bei entsprechend hoher Dosierung und langer Einwirkzeit letal wäre, sollte im Stadium der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit beispielsweise ein Genickschnitt (Durchtrennung der Wirbelsäule und des Rückenmarks), durchgeführt werden, um eine sichere Tötung zu gewährleisten. Alternativ kann auch ein Kiemenrundschnitt erfolgen.
Diese Hinweise können analog für die Tötung von Zierfischen in Betrieben des Zierfischhandels angewendet werden. Die aufgeführten Tötungsmethoden sind im Falle von Zierfischen ausschließlich im Sinne einer Nottötung durchzuführen, ansonsten handelt es sich gegebenenfalls um einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Diese Anleitung darf auf keinen Fall dafür missbraucht werden, sich lästig gewordener Heimtiere zu entledigen.
Eine Gruppe Regenbogenfische