Betäubung und Schlachtung oder Tötung von Fischen und Krebstieren
Rechtsgrundlagen und deren praktische Umsetzung
1 Einführung
2 Rechtsgrundlagen
3 Praktische Umsetzung rechtlicher Anforderungen
3.1 Fische
3.2 Krebstiere
4 Fazit
In Deutschland werden Fische aber auch Krebstiere wie Flusskrebse oder Shrimps als Nutztiere in Aquakulturbetrieben unter anderem zum Zwecke der Lebensmittelproduktion gehalten. Schwerpunkte der Aquakultur in Deutschland stellen die Forellen- und die Karpfenproduktion in teichwirtschaftlichen Betrieben dar. Darüber hinaus werden mit ansteigender Tendenz Fische und Krebstiere in sogenannten Kreislauf- beziehungsweise Teilkreislaufanlagen, in denen eine Wiederverwendung des Haltungswassers nach Aufbereitung erfolgt, produziert. Auch die Haltung von und der Handel mit Fischen und Krebstieren zu Zierzwecken und die Verwendung von Fischen und Krebstieren zu Versuchstierzwecken in wissenschaftlichen Einrichtungen sind zu nennen. Die Tötung beziehungsweise Schlachtung von Fischen und Krebstieren ist bei allen vorgenannten Haltungsformen von Relevanz, entweder zur Lebensmittelgewinnung, in Notfällen, zwecks Tierseuchenbekämpfung oder im Rahmen eines Tierversuches. Es wird auch auf die Schlachtung von Fischen im Rahmen der Fang- bzw. Angelfischerei hingewiesen.
Im Folgenden wird ausschließlich auf die Betäubung, Schlachtung und Tötung von Fischen und Krebstieren eingegangen, die der Lebensmittelgewinnung dienen. Der Begriff „Schlachtung" umfasst die Tötung von Tieren zum Zwecke der Lebensmittelgewinnung.
2.1 Tierschutzgesetz
Das Tierschutzgesetz (TierSchG) schreibt vor, dass Wirbeltiere, und somit auch Fische, nur unter Betäubung oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden dürfen. Ferner setzt der Gesetzgeber für die Tötung von Wirbeltieren Kenntnisse und Fähigkeiten voraus, die jedoch lediglich im Falle einer berufs- oder gewerbsmäßigen Tätigkeit, bei der regelmäßig Wirbeltiere betäubt beziehungsweise getötet werden, der Behörde gegenüber mit einem Sachkundenachweis zu belegen sind. Werden im Rahmen der vorgenannten Tätigkeit Fische in Anwesenheit einer Aufsichtsperson betäubt oder getötet, so genügt es, wenn die Aufsichtsperson den Sachkundenachweis erbringt. Als sachkundig im Sinne des Tierschutzgesetzes gelten gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes zum Beispiel Personen mit einer abgeschlossenen Fischwirtausbildung, Veterinärmediziner oder auch Personen mit erfolgreich bestandener Angelfischereiprüfung. Für andere Personen kann die Sachkunde beispielsweise im Rahmen eines Fachgespräches oder nach erfolgreicher Prüfungsteilnahme im Rahmen einer Weiterbildung bestätigt werden. Wer im Übrigen ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet, begeht gemäß § 17 Nummer 1 TierSchG eine Straftat.
Das Tierschutzgesetz enthält in Bezug auf die Betäubung, Schlachtung oder Tötung lediglich Anforderungen, die Wirbeltiere betreffen. Allerdings wird das Bundesministerium mit § 4b TierSchG ermächtigt, auch das Schlachten von kaltblütigen Tieren zu regeln und in Bezug auf alle Tiere bestimmte Tötungsarten und Betäubungsverfahren näher zu regeln, vorzuschreiben, zuzulassen oder zu verbieten.
2.2 Tierschutz-Schlachtverordnung
Mit der Tierschutz-Schlachtverordnung (TierSchlV) hat der Gesetzgeber von der vorgenannten Ermächtigung Gebrauch gemacht und eine Spezialvorschrift erlassen, die nähere Regelungen auch zu wirbellosen aquatischen Tieren enthält. Diese Vorschriften gehen im Übrigen über EU-rechtliche Anforderungen (Verordnung (EG) Nr. 1099/2009) hinaus. Neben Anforderungen an die Betäubung und Schlachtung oder Tötung von Wirbel-, Krebs- oder Weichtieren (§ 12), enthält die Tierschutz-Schlachtverordnung unter anderem auch Regelungen (§ 9 und § 10) für die Aufbewahrung von Fischen und Krebstieren vor Schlachtung beziehungsweise Tötung. Die Vorschriften der Tierschutz-Schlachtverordnung sind nicht anzuwenden bei einem Massenfang von Fischen (zum Beispiel Hoch- und Küstenfischerei), soweit es nach dem Stand der Wissenschaft nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich wäre, eine Betäubung durchzuführen. Die Tierschutz-Schlachtverordnung gilt im Übrigen auch für das Betäuben und Töten von Tieren bei einer behördlich veranlassten Tötung, zum Beispiel im Rahmen der Tierseuchenbekämpfung.
Die Verordnung besagt (§ 4 Absatz 1), dass es auch für die Betäubung, Schlachtung oder Tötung von wirbellosen Tieren einer Sachkunde bedarf. Im Falle von Fischen und wirbellosen aquatischen Tieren ist die Sachkunde jedoch nicht auf Grundlage von § 4 Absatz 2 TierSchlV der Behörde gegenüber nachzuweisen.
§ 12 TierSchlV regelt unter anderem das Betäuben, Schlachten und Töten von Fischen und Krebstieren. Tiere sind demnach zusätzlich zu den EU-rechtlichen Anforderungen so zu betäuben, dass sie schnell und unter Vermeidung von Schmerzen oder Leiden in einen bis zum Tod anhaltenden Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt werden.
2.2.1 Betäuben, Schlachten und Töten von Fischen
Gemäß § 12 Absatz 10 TierSchlV muss wer einen Fisch schlachtet oder tötet, diesen unmittelbar vor dem Schlachten oder Töten nach Maßgabe der Anlage 1 Nummer 9 TierSchlV betäuben. Plattfische und Aale sind von der Betäubungspflicht ausgenommen und dürfen direkt getötet werden. Im Falle von Aalen jedoch nur, wenn sie höchstens bis zu einer Zahl von 30 Tieren pro Tag gefangen und verarbeitet werden. Für alle anderen Fischarten sind folgende Betäubungsverfahren zulässig:
- Elektrobetäubung - Anlage 1 Nummer 6 TierSchlV enthält nähere Anforderungen an die Elektrobetäubung, beispielsweise zur Elektrodenbeschaffenheit und -Geometrie, bei der Betäubung von Fischen in Wasserbadanlagen oder hinsichtlich der zu verwendenden Stromparameter für die Fischart Aal.
- Stumpfer Schlag auf den Kopf - gemäß Anlage 1 Nummer 5 TierSchlV ist der stumpfe Schlag auf den Kopf mit einem geeigneten Gegenstand (Abbildung 3) und ausreichend kräftig auszuführen. Ein den Tod herbeiführendes Verfahren muss unmittelbar danach durchgeführt werden, zum Beispiel durch Entbluten (Kiemenrundschnitt, Abbildung 4).
- Kohlendioxidexposition bei Salmoniden (Forellenartige) - dieses Verfahren ist aus fachlicher Sicht als nicht tierschutzkonform zu bewerten (siehe 3.1.3).
- Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt, ausgenommen Stoffe wie Ammoniak, die gleichzeitig dem Entschleimen dienen - unbeschadet arzneimittel- und lebensmittelrechtlicher Vorschriften (siehe unten).
2.2.2 Betäuben, Schlachten und Töten von Krebstieren
Gemäß § 12 Absatz 10 TierSchlV dürfen Krebstiere nur in stark kochendem Wasser getötet werden, welches sie vollständig bedecken und nach ihrer Zugabe weiterhin stark kochen muss. Abweichend davon, dürfen Krebstiere auch elektrisch betäubt oder getötet werden. Führt die Elektrobetäubung jedoch nicht zum sofortigen Tod der Krebstiere, sind sie unmittelbar danach durch Kochen zu töten. Taschenkrebse dürfen auch durch mechanische Zerstörung der beiden Hauptnervenzentren getötet werden.
2.2.3 Ausnahmen
§ 13 TierSchlV besagt unter anderem, dass die zuständige Behörde befristet andere Betäubungs- oder Tötungsverfahren entweder zum Zwecke ihrer Erprobung oder im Rahmen behördlich veranlasster Tötungen zulassen kann. Diese Ausnahmetatbestände sind nach hiesiger Auslegung formalrechtlich weder auf Fische noch auf Krebstiere anzuwenden, da Bezug auf § 12 Absatz 3 Satz 1 TierSchlV genommen wird, in dem wiederum Bezug genommen wird auf Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009, der bei Fischen und Krebstieren nicht anzuwenden ist.
2.3 Empfehlung für die Haltung von Fischen in Aquakultur
Deutschland hat das Europäische Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen ratifiziert. Der Ständige Ausschuss dieses Übereinkommens hat am 5. Dezember 2005 eine Empfehlung für die Haltung von Fischen in Aquakultur angenommen, die nach Nummer 1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Tierschutzgesetz im Bundesanzeiger bekanntgegeben wurde. Diese Europaratsempfehlung enthält unter anderem Anforderungen an die Tötung von Fischen im Notfall. Danach müssen die Tiere unverzüglich vor Ort von einer sachkundigen Person getötet werden. Die angewandten Methoden müssen entweder zum sofortigen Tod führen oder den Fisch schnell unempfindlich für Schmerzen und Leiden machen, bis der Tod eintritt. Darüber hinaus muss die Wirksamkeit des Verfahrens auf Basis verlässlicher Indikatoren, wie zum Beispiel Stillstand der Atembewegungen oder Aussetzen des Augendrehreflexes überwacht werden. Kohlendioxid darf nur in Ausnahmefällen verwendet werden. Ein Kiemenschnitt ohne vorherige Betäubung ist gemäß der Empfehlung nicht zulässig.
Fische und Krebstiere sind nicht Gegenstand des Geltungsbereiches des ebenfalls von Deutschland ratifizierten Europäischen Übereinkommens über den Schutz von Schlachttieren.
3 Praktische Umsetzung rechtlicher Anforderungen
Im Folgenden wird die praktische Umsetzung tierschutzrechtlicher Anforderungen an das Betäuben, Schlachten und Töten von Fischen und Krebstieren näher erörtert. Sowohl für Fische als auch für Krebstiere ist es unerlässlich, Ausnahmen von den zulässigen Betäubungs- und Tötungsverfahren zum Zwecke der Erprobung oder im Rahmen behördlich veranlasster Tötungen nach behördlicher Genehmigung zu ermöglichen. Wie vorhin dargestellt, sieht die Tierschutz-Schlachtverordnung sowohl für Fische als auch für Krebstiere entsprechende Ausnahmetatbestände formalrechtlich jedoch nicht vor. Daher bedarf es einer Neuregelung.
Die Kontrolle der Betäubungswirkung und die Feststellung des Todes sind im Zuge des Schlachtprozesses unerlässlich. Es ist jedoch nicht unproblematisch festzustellen, ob Fische oder Krebstiere aufgrund der Betäubung tatsächlich wahrnehmungslos beziehungsweise nach der Betäubung oder Tötung tot sind. Zu dem Zweck sind beispielsweise das Verhalten der Tiere während und nach der Betäubung (Verlust des Gleichgewichts, Körpertonus), der Atemreflex, der Augendrehreflex (bei Fischen), die Antennenaktivität (bei Krebstieren und bei juvenilen Fischen oder Krebstieren gegebenenfalls der (sichtbare) Herzschlag zu bewerten.
Ein Augendrehreflex ist vorhanden, wenn die Augen von Fischen, die in eine Schräg- oder Seitenlage gedreht werden, weiterhin quer zum Lichteinfall „verharren". Drehen sich die Augen mit, dann ist der Augendrehreflex ausgesetzt (siehe Abbildung 5). Ein nicht vorhandener Augendrehreflex deutet auf eine Wahrnehmungslosigkeit beziehungsweise auf den Tod der Fische hin. Der Atemreflex kann anhand gezielter Kiemendeckelbewegungen festgestellt werden. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kann das Aussetzen des Augendreh- beziehungsweise des Atemreflexes für Salmoniden dahingehend bewertet werden, dass von einer ausreichenden Betäubung auszugehen ist. Dahingegen ist unter anderem für Karpfen eine entsprechende Annahme aufgrund des Aussetzens des Augendreh- beziehungsweise des Atemreflexes nicht gesichert. Werden jedoch ein Augendrehreflex oder ein Atemreflex (regelmäßige Kiemendeckelbewegungen) festgestellt, ist davon auszugehen, dass die Fische nicht ausreichend betäubt sind.
Sachgemäß durchgeführte Elektro- oder Kopfschlagbetäubungen führen bei Salmoniden in der Regel dazu, dass sie aufgrund einer Sauerstoffunterversorgung in der Betäubung sterben, was wiederum für andere Fischspezies, wie beispielsweise Karpfen, nicht zutreffen muss. Vorsorglich wird jedoch darauf hingewiesen, dass gemäß den Vorschriften der Tierschutz-Schlachtverordnung unmittelbar nach dem Kopfschlag ein den Tod herbeiführendes Verfahren durchgeführt werden muss. Die Maßnahme sollte auch nach Elektrobetäubung, Kohlendioxidexposition (nur Salmoniden) oder nach Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt erfolgen. In dem Zusammenhang wird ein Kiemenrundschnitt (Abbildung 4) zwecks Entblutung oder ggf. auch ein sofortiges Herausnehmen der Eingeweide einschließlich des Herzens empfohlen. Die Durchführung eines Herzstiches zwecks Entblutung ist aufgrund der notwendigen Präzision nicht zu empfehlen.
3.1.1 Elektrobetäubung
Die elektrische Durchströmung ist unter Einhaltung bestimmter Vorgaben als tierschutzgerechtes Verfahren zur Betäubung von Fischen zu bewerten. Entscheidend sind im Falle einer Wasserbadbetäubung eine ganzflächige Elektrodengeometrie, womit ein gleichmäßiges Stromfeld (Abbildung 6) sichert wird sowie die Verwendung geeigneter Stromparameter. Dabei ist neben der Stromdichte (A/dm2 Elektrodenfläche) auch die Stromart von großer Bedeutung. Anlage 1 Nummer 6.10 TierSchlV sieht für die Elektrobetäubung von Fischen in Wasserbadbetäubungsanlagen vor, dass die Elektroden so groß und so angeordnet sein müssen, dass in allen Bereichen der Betäubungsanlage eine gleichmäßige elektrische Durchströmung der Fische sichergestellt ist. In dem Zusammenhang ist die Betäubung von Fischen mit Stabelektroden als kritisch zu betrachten und nur vertretbar, wenn über die Form des Betäubungsbehälters beziehungsweise über die Position der Fische zwischen den Elektroden eine gleichmäßige und ausreichende Körperdurchströmung sichergestellt wird. Gemäß Anlage 1 Nummer 6.10 TierSchlV müssen Fische und Elektroden bei einer Wasserbadbetäubung vollständig mit Wasser bedeckt sein. Diese Anforderung schließt jedoch die Möglichkeit der Elektrobetäubung von Fischen außerhalb des Wassers ("Trockenbetäubung") nicht aus. Die Tierschutz-Schlachtverordnung enthält in Abhängigkeit der Leitfähigkeit des Wassers spezifische Anforderungen an die Stromparameter für die Fischart Aal (Anlage 1 Nummer 6.11). Wichtig ist, dass ein elektrisches Feld in einer Feldstärke erzeugt werden muss, das einen sofortigen Wahrnehmungsverlust bei den Fischen auslöst. Es liegen jedoch nur für wenige Fischarten gesicherte Erkenntnisse in Bezug auf die aus tierschutzfachlicher Sicht erforderlichen Stromparameter vor. Außerdem belegen Untersuchungsergebnisse für bestimmte Fischspezies, zum Beispiel Afrikanische Welse oder Karpfen, dass für eine ausreichende Betäubung dieser Spezies im Vergleich zu beispielsweise Regenbogenforellen sehr hohe Stromstärken erforderlich sind, die eine Eignung des Verfahrens vor allem aus Sicht des Arbeitsschutzes in Frage stellen.
Gemäß Empfehlungen der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, soll die Leitfähigkeit des Betäubungsbads mittels Salzzugabe oder Zugabe von Wasser mit geringer Leitfähigkeit auf einen Wert zwischen 600 und 1.000 µS/cm eingestellt werden. Diese Konditionierung ist erforderlich, um eine bei niedriger Wasserleitfähigkeit eine ungleichmäßige und bei hoher Wasserleitfähigkeit eine nicht ausreichende Körperdurchströmung zu vermeiden. In dem Zusammenhang gibt es auch Neuregelungsbedarf in Bezug auf Anlage 1 Nummer 6.10 beziehungsweise 6.11 TierSchlV, in dem ein Leitfähigkeitsfenster vorgegeben werden soll. Derzeit ist lediglich für die Fischart Aal eine Obergrenze der Leitfähigkeit (1.000 µS/cm) vorgeschrieben. Nach Abschalten des elektrischen Feldes können die Fische ihre Wahrnehmungsfähigkeit wiedererlangen. Die Dauer des Wahrnehmungsverlustes kann durch eine längere Durchströmung verlängert werden, damit die Fische im Zustand der Wahrnehmungslosigkeit geschlachtet werden können. Der Zeitraum der Wahrnehmungslosigkeit ist aber von Fischart zu Fischart unterschiedlich. Gemäß den vorgenannten Empfehlungen soll die Dauer der elektrischen Durchströmung für Regenbogenforellen mindestens zwei und für Karpfen mindestens fünf Minuten betragen. Für Karpfen wird außerdem eine Kombination von Elektrobetäubung und Kopfschlag vorgeschlagen. Auf die Broschüren der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover mit Empfehlungen zur Betäubung und Schlachtung von Regenbogenforellen und Karpfen und auf die dazu gehörenden Schulungsvideos wird hingewiesen.
Das Verfahren der elektrischen Durchströmung ermöglicht eine Automatisierung des Betäubungsprozesses bei verhältnismäßig geringem Personalaufwand. Es bedarf keiner Vereinzelung der Tiere und dadurch ist eine Betäubung beziehungsweise Tötung größerer Fischmengen möglich. Es muss in dem Zusammenhang aber darauf hingewiesen werden, dass der Zustand der Wahrnehmungslosigkeit bei bestimmten Fischspezies wie Karpfen oder Afrikanischen Welsen, wie bereits dargestellt unter Umständen nur kurz anhält und daher eine sofortige Tötung beziehungsweise Schlachtung im Anschluss an das Ausschalten des Stromflusses notwendig ist. Ein Nachteil des Verfahrens ist außerdem, dass die Betäubung aufgrund des erforderlichen Stromanschlusses beziehungsweise kommerziell nicht verfügbarer Mobilgeräte nicht überall durchführbar ist. Des Weiteren kann es unter anderem in Abhängigkeit der Stromparameter, der Leitfähigkeit des Betäubungswassers und der Fischart zu Beeinträchtigungen der Produktqualität, wie zum Beispiel Blutungen oder Knochen- beziehungsweise Grätenbrüche, kommen. Weiterhin ist das Verfahren aufgrund der hohen Leitfähigkeit des Betäubungsmediums für die Anwendung im Meerwasser nicht beziehungsweise nur bedingt geeignet. Für bestimmte Fischarten (siehe oben) ist aufgrund der erforderlichen hohen Stromdichten außerdem die Eignung aus Sicht des Arbeitsschutzes zu hinterfragen. Ferner bedarf es mit Blick auf den Arbeitsschutzeunbedingt der Verwendung von DIN-normierten Betäubungsanlagen.
3.1.2 Stumpfer Schlag auf den Kopf
Bei der Betäubung von Fischen mittels Kopfschlag handelt es sich um ein einfaches, tierschutzgerechtes Verfahren, das überall durchführbar ist und nicht zu einer Beeinträchtigung der Produktqualität führt. Der stumpfe Schlag auf den Kopf (Abbildung 3) führt bei präziser Ausführung und ausreichendem Kraftimpuls zu einer raschen Betäubung. Um den Kopfschlag gezielt durchzuführen, sind Kenntnisse über die anatomische Lage des Gehirns im Schädel der jeweiligen Fischart unerlässlich (Abbildungen 8 und 9). Bei Fischen wie Afrikanische Welse, Störe oder Karpfen sind aufgrund der Schädelbeschaffenheit ein hoher Kraftimpuls und eine sehr präzise Ausführung mit einem geeigneten Schlaginstrument erforderlich. Bei sehr großen Fischen (zum Beispiel Störe) ist es in der Regel nicht möglich, die Tiere mittels Kopfschlag zu betäuben. Aktuell werden Untersuchungen durchgeführt, um zu prüfen, ob der Bolzenschuss zur Betäubung von großen Stören aus tierschutzfachlicher Sicht geeignet wäre (rechtlich bis dato nicht zulässig). Das Kopfschlagverfahren eignet sich aufgrund des besonderen Nervensystems und der Körperform nicht für die Betäubung von Aalen. Ferner erfordert die Kopfschlagbetäubung eine unmittelbar anschließende Entblutung oder ggf. Ausweidung und damit einen weiteren Arbeitsschritt, der allerdings auch für die anderen Verfahren grundsätzlich auch zu empfehlen ist. Wie bereits erwähnt, wird zur Entblutung der Kiemenrundschnitt (Abbildung 4) empfohlen, bei dem beidseitig die großen Arterien durchtrennt werden, wodurch ein schnelles Entbluten erfolgt. Das Kopfschlagverfahren ist nicht für die Betäubung größerer Fischmengen (zum Beispiel Belieferung Großhandel, behördliche veranlasste Tötungen) geeignet,. Allerdings wird der weitaus größte Teil der deutschen Aquakulturproduktion in kleinbäuerlich strukturierten Betrieben erzeugt, wo im täglichen Betriebsablauf keine großen zu betäubenden Fischmengen anfallen.
3.1.3 Kohlendioxidexposition bei Salmoniden
Mit Hilfe dieser Methode (Abbildung 7) können größere Fischmengen mit einem relativ geringen Personalaufwand betäubt werden. Die Kohlendioxidexposition ist gemäß Anlage 1 Nummer 9 TierSchlV zwar als Betäubungs- beziehungsweise Tötungsverfahren nur für Salmoniden zugelassen, allerdings belegen aktuelle Erkenntnisse, dass dieses Verfahren als nicht tierschutzkonform zu bewerten ist. Ein schneller Wahrnehmungsverlust erfolgt nicht. Während des Verweilens in der mit Kohlendioxid gesättigten Betäubungslösung können heftige Abwehrreaktionen festgestellt werden. Auch nach langer Verweildauer werden häufig noch Augendreh- und Atemreflexe beobachtet. Vor dem Hintergrund besteht Neuregelungsbedarf. Darüber hinaus ist die Betäubung mittels Kohlendioxidexposition aufgrund des technischen Aufwands und des in der Regel erforderlichen Stromanschlusses nicht überall durchführbar. Arbeitsschutzrechtliche Vorschriften sind in Verbindung mit der Verwendung von Kohlendioxid zu beachten und außerdem sind nach aktuellen Erkenntnissen Beeinträchtigungen der Produktqualität nicht auszuschließen.
3.1.4 Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt
In Abhängigkeit des verwendeten Betäubungsmittels und der zu betäubenden Fischart kann die Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt als ein aus Sicht des Tierschutzes geeignetes Verfahren zur Betäubung von Fischen bewertet werden. Entscheidend ist, dass das Betäubungsmittel (zum Beispiel MS-222® oder Nelkenöl) in ausreichender Dosierung verwendet wird und zum schnellen Bewusstseinsverlust führt. Es dürfen keine Mittel (zum Beispiel Ammoniak) verwendet werden, die gleichzeitig dem Entschleimen von Fischen dienen. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen haben belegt, dass beim Einsatz von beispielsweise Nelkenöl eine schnell eintretende Betäubung erzielt wird, die ausreichend lang andauert und bei langer Verweildauer in der Betäubungslösung auch zum Tod führen kann. Das Verfahren ist bei relativ geringem Personalaufwand für die Tötung größerer Fischmengen geeignet, überall durchführbar und wird zum Beispiel bei behördlich veranlassten Fischtötungen verwendet. Generell muss bei der Verwendung eines Stoffes mit Betäubungseffekt zur Betäubung von Lebensmittel liefernden Fischen vor Schlachtung eine arzneimittelrechtliche Zulassung des entsprechenden Arzneimittels vorliegen und die Wartezeit 0 Tage betragen. Entsprechende Arzneimittel stehen in der EU derzeit nicht zur Verfügung. Jedoch dürfen auch nicht verschreibungspflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel zur Betäubung von Speisefischen verwendet werden, wenn sie in der Verordnung (EU) 37/2010 als Stoffe aufgeführt sind, für die eine Festlegung von Rückstandshöchstmengen nicht erforderlich ist. Für freiverkäufliche Arzneimittel gibt es keine Wartezeitregelung. Die vorgenannten Voraussetzungen treffen auf das in Apotheken in Arzneibuchqualität erhältliche ätherische Nelkenöl zu, sodass es auch zur Betäubung von Fischen vor Schlachtung verwendet werden kann. Als Nachteil ist zu erwähnen, dass eine aromatische Beeinträchtigung der Erzeugnisse durch das Nelkenöl nicht auszuschließen ist. Mehr zur praktischen Anwendung von Nelkenöl im Artikel "Nottötung privat gehaltener Zierfische".
3.1.5 Nicht zugelassene Verfahren
Andere Verfahren wie die Überführung von Fischen in Eiswasser oder die Bolzenschussbetäubung bei Stören, sind unter Umständen noch nicht ausreichend erprobt und stehen nicht im Einklang mit § 12 TierSchlV. Ein weiteres Problem in dem Zusammenhang ist das breite Spektrum der Fischarten unterschiedlicher Klimazonen und deren Größe zum Zeitpunkt der Betäubung, Schlachtung oder Tötung. So ist es beispielsweise wissenschaftlich belegt, dass eine sehr kleine tropische Fischart wie der Zebrabärbling mittels Überführung in Eiswasser tierschutzgerecht getötet werden kann. Dahingegen verfügen Fische in Speisefischgröße (zum Beispiel Afrikanische Welse) über eine große Wärmepufferkapazität, die dazu führt, dass die Wahrnehmungslosigkeit erst mehrere Minuten nach Überführung in Eiswasser eintritt. Für Fischarten, die physiologisch an niedrige Wassertemperaturen angepasst sind, ist die Eignung der Eiswassermethode grundsätzlich zu hinterfragen.
Ein spezifisches Problem stellt die Tötung von Krebstieren zu diagnostischen Zwecken dar. Die elektrische Durchströmung führt in der Regel nicht zum Tod der Tiere. Das Töten in stark kochendem Wasser führt dazu, dass labordiagnostische Untersuchungen nicht möglich sind. Die Tierschutz-Schlachtverordnung sieht beispielsweise für die amtliche Untersuchung von lebenden Muscheln vor, dass die Anforderungen des § 12 Absatz 11 TierSchlV nicht berücksichtigt werden müssen und die Tiere anderweitig getötet werden dürfen. Eine vergleichbare Neuregelung wäre für Krebstiere unerlässlich. Ein weiteres Problem ist, dass die zugelassenen Tötungsverfahren sich für eine behördlich veranlasste Tötung größerer Mengen an Krebstieren nicht eignen. Auch in dem Zusammenhang besteht Neuregelungsbedarf, zumal § 13 TierSchlV formalrechtlich keinen Ausnahmetatbestand für Krebstiere vorhält.
3.2.1 Tötung von Krebstieren in stark kochendem Wasser
Anders als für Fische geregelt, dürfen Krebstiere weiterhin lebend an Endverbraucher abgegeben werden. Die Eignung der Kochmethode zur Tötung insbesondere von Großkrebsen wie Hummern wird zunehmend angezweifelt, da die bei Endverbrauchern vorhandenen haushaltsüblichen Wärmequellen oft nicht oder nur bedingt für eine ordnungsgemäße Tötung geeignet sind. Es ist sicherzustellen, dass das Wasser nach Zugabe der Tiere weiterhin stark kocht. Vor dem Hintergrund sind auch kleinere Krebstierarten nach und nach in das kochende Wasser zu überführen. Ein weiterer Nachteil des Verfahrens ist, dass eine Frischvermarktung der Erzeugnisse nicht möglich ist.
3.2.2 Elektrische Betäubung oder Tötung von Krebstieren
Aktuelle Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien scheinen zwar zu belegen, dass eine Tötung von Krebstieren mittels elektrischer Durchströmung, auch in einer Salzwasserumgebung, zwar möglich ist, jedoch sehr hohe Stromdichten erfordert. Ob eine praktische Anwendung vor dem Hintergrund des Arbeitsschutzes überhaupt möglich ist, muss daher hinterfragt werden. Bei geringeren Stromdichten ist es allerdings möglich, Krebstiere zu betäuben. Führt die Elektrobetäubung (Abbildung 10) jedoch nicht zum sofortigen Tod der Krebstiere, sind sie gemäß § 12 Absatz 11 TierSchlV unmittelbar nach der Betäubung durch Kochen zu töten (Abbildung 11), mit dem Nachteil, dass eine Frischvermarktung nicht möglich ist.
3.2.3 Nicht zugelassene Verfahren
Eine in anderen Ländern praktizierte Methode zur Tötung tropischer Riesengarnelen (Shrimps) ist das Verbringen der Tiere in Eiswasser. Diese Methode war bis 2012 in Deutschland noch genehmigungsfähig, ist jedoch seit der Novellierung der Tierschutz-Schlachtverordnung nicht mehr zulässig. Es wird derzeit jedoch geprüft, ob diese Methode für Shrimps als zugelassenes Verfahren in die Tierschutz-Schlachtverordnung aufgenommen werden kann. Dazu wurden und werden wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt. Erste Ergebnisse lassen vermuten, dass die Methode als tierschutzgerecht bewertet werden kann. Vorteile dieses Tötungsverfahrens liegen darin, dass eine Frischvermarktung der Erzeugnisse und labordiagnostische Untersuchungen ermöglicht werden. Andere Tötungsverfahren wie Kohlendioxidzufuhr, Tötung durch Überdruck, langsames Erwärmen oder Verabreichung eines Stoffes mit Betäubungseffekt sind unter Umständen nicht ausreichend erprobt und stehen nicht im Einklang mit § 12 TierSchlV.
Es kann geschlussfolgert werden, dass die geltenden tierschutzrechtlichen Vorschriften grundsätzlich einen geeigneten Rahmen für die Schlachtung oder Tötung von Speisefischen wie Forellen oder Karpfen unter Praxisbedingungen bieten. Für andere Fischarten und für Krebstierarten sind die rechtlichen Rahmenbedingungen jedoch nur bedingt geeignet. Gründe dafür sind die Artenvielfalt und in dem Zusammenhang die unterschiedlichen physiologischen Ansprüche der Fisch- und Krebstierarten und die unterschiedlichen Größen zum Zeitpunkt der Betäubung, Schlachtung oder Tötung. Auch fehlen häufig wissenschaftliche Erkenntnisse. In dem Zusammenhang besteht weiterhin Forschungsbedarf, insbesondere für „neue" Aquakulturspezies wie Afrikanischer Wels oder Shrimps, aber weiterhin auch für Karpfen und Forellen.
Die Tierschutz-Schlachtverordnung sieht immer noch vor, dass Salmoniden mittels Kohlendioxidexposition betäubt und getötet werden dürfen. Diese Methode sollte als zugelassenes Verfahren aus der Tierschutz-Schlachtverordnung entfernt werden, da sie aus fachlicher Sicht nicht tierschutzkonform ist. Ferner ist es unerlässlich, dass im Rahmen einer weiteren Novellierung der Tierschutz-Schlachtverordnung Ausnahmetatbestände für die Betäubung, Schlachtung und Tötung von Fischen und Krebstieren, zum Beispiel zum Zwecke der Erprobung, für den Seuchenfall oder zu Diagnosezwecken, künftig vorgehalten werden. Darüber hinaus besteht Neuregelungsbedarf in Bezug auf die Anforderungen an die Elektrobetäubung von Fischen. Aktuelle Forschungsergebnisse sind bei einer Novellierung der Tierschutz-Schlachtverordnung zu berücksichtigen.
Auch unter Hinweis auf die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU bedarf es ohnehin der kritischen Betrachtung, ob die im deutschen Tierschutzrecht verankerten Anforderungen an die Betäubung, Schlachtung und Tötung von Fischen und Krebstieren verhältnismäßig sind. Das EU-Rahmenrecht enthält in Bezug auf diese Tiergruppen keine konkreten Regelungen bezüglich Betäubung, Schlachtung und Tötung. Konkrete Anforderungen können demnach nur im Rahmen der jeweiligen nationalen Gesetzgebung erlassen werden. In vielen Mitgliedstaaten der EU gibt es überhaupt keine entsprechenden tierschutzrechtlichen Regelungen. Eine EU-weite Harmonisierung wäre zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen unerlässlich. Neuregelungen sind nach Angabe der EU-Kommission kurzfristig jedoch nicht vorgesehen.
Abschließend wird auf die Notwendigkeit des Vorhandenseins ausreichender Kenntnisse und Fähigkeiten hingewiesen. Auch Personen, die aufgrund einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder eines Weiterbildungsabschlusses ihre Kenntnisse und Fähigkeiten belegen können, sollten sich regelmäßig fortbilden. Die Bedeutung von Leitfäden und Lehrmaterialien, wie die kürzlich veröffentlichten Broschüren und Schulungsvideos der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und des Starnberger Instituts für Fischerei, sind in dem Zusammenhang hervorzuheben.
Kopfschlagbetäubung
Ergebnisse aus dem MuD-Projekt "Verbesserung des Tierschutzes bei Betäubung und Schlachtung von Regenbogenforellen und Karpfen in Fischzuchten mit unterschiedlichen Vermarktungsstrategien" der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (Abteilung Fischkrankheiten und Fischhaltung), gefördert durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Kooperationspartner: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Institut für Fischerei und Naturland - Verband für ökologischen Landbau e.V.
Broschüre "Betäubung und Schlachtung von Regenbogenforellen"