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Neue Rechtsnormen für Tierarzneimittel gelten auch für die Imkerei

Infobrief des LAVES-Bieneninstituts vom 2. Februar 2022


Blick in die Bienenbeute. Über den Zargen, zwischen denen viele Bienen krabbeln, hält eine Hand mit grünem Handschuh einen kleinen Schlauch.   Bildrechte: LAVES, O. Boecking
Applikation von Medikamenten am Bienenvolk.

Am 28.01.2022 ist das neue Tierarzneimittelgesetz (TAMG) in Deutschland in Kraft getreten und mit diesem Tag gilt in der Tierhaltungspraxis zudem in allen Mitglied-staaten der Union auch die Anwendung und Umsetzung der neuen Verordnung (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments über Tierarzneimittel (EU-TAM-VO). Das TAMG verweist mehrfach auf die neue EU-Verordnung, so dass künftig beide Regelwerke zusammen herangezogen werden müssen, wenn es um Tierarzneimittel geht.

Diese Rechtsnormen sind auch für die Imkerei relevant. Dies gilt unabhängig davon, ob die Imkerei in der Freizeit oder auch als Neben- bzw. im Haupterwerb betrieben wird. Honigbienen dienen als landwirtschaftliche Nutztiere bekanntermaßen der Produktion von Lebensmitteln, die für den menschlichen Verzehr vorgesehen sind. Imkerinnen und Imker, die Honig oder andere Bienenprodukte in den Verkehr bringen, müssen sich bei der Anwendung von Tierarzneimitteln an diese rechtlichen Vorgaben halten. Per Definition umfasst das „Inverkehrbringen” die entgeltliche und ebenso unentgeltliche Abgabe an Dritte, mit dem Ziel des Vertriebs, des Verbrauchs oder der Verwendung. Das schließt auch ein Verschenken von Bienenprodukten an Dritte mit ein.

Die Verordnung (EU) 2019/6 umfasst neue Bestimmungen zu den Zulassungs-verfahren und Maßnahmen nach der Zulassung, der Herstellung, der Ein- und Ausfuhr, der Abgabe, der Anwendung von Tierarzneimitteln, sowie zu Sanktionen und Beschränkungen. Die Verordnung gilt unmittelbar seit dem 28.01.2022 in allen europäischen Mitgliedsstaaten. Mit ihr wird die bislang geltende Tierarzneimittel-Richtlinie (2001/82/EG) abgelöst. Einige Punkte werden nicht direkt durch die neue Verordnung (EU) 2019/6 geregelt. Dazu dienen ergänzende, delegierte Rechtsakte, die teilweise noch zu erlassen sind. Ergänzend gilt aber schon jetzt das neue Tierarzneimittelgesetz als eigenständiges Tierarzneimittelrecht für Deutschland.

■ Per Begriffsbestimmung sind „Tierarzneimittel“ umfassend definiert

Unter „Tierarzneimitteln“ versteht die neue Verordnung (EU) 2019/6 unter anderem „alle Stoffe oder Stoffzusammenstellungen, die mindestens eine der nachstehenden Voraussetzungen erfüllen:

a) sie sind zur Heilung oder zur Verhütung von Tierkrankheiten bestimmt;

b) sie sind dazu bestimmt, im oder am tierischen Körper angewendet oder einem Tier verabreicht zu werden, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen;

c) sie sind dazu bestimmt, bei Tieren zum Zweck einer medizinischen Diagnose verwendet zu werden;

d) sie sind zur Euthanasie von Tieren bestimmt.“

Somit wird schon in der Begriffsbestimmung (Artikel 4, Absatz 1) der Verordnung ein Tierarzneimittel sehr umfassend definiert. Wie bislang auch, dürfen grundsätzlich nur zugelassene Tierarzneimittel in der Imkerei angewendet werden.

Wichtig! Alle Tierarzneimittel dürfen zudem nur gemäß ihrer spezifischen Zulassung angewendet werden.

Dem widmet die neue EU-Verordnung einen extra Passus unter dem Artikel 106 (1). Dort heißt es „Tierarzneimittel werden in Übereinstimmung mit den Zulassungs-bedingungen angewendet.“ Konkret bedeutet das für die imkerliche Praxis, alle Varroazide und damit auch die freiverkäuflichen dürfen nur zulassungskonform angewendet werden. So sieht es auch das neue Tierarzneimittelgesetz vor. In Deutschland sind beispielsweise bei der Anwendung der Oxalsäure zur Varroa-Bekämpfung bislang die Träufel- und Sprühanwendung zugelassen. Damit gelten andere Applikationsformen, wie das Verdampfen und das (Kalt)Vernebeln von Oxalsäure, weiterhin als nicht zugelassen und damit verboten.

■ Neue Zulassungsvorrausetzungen für Tierarzneimittel

Ein weiterer, gewichtiger Erwägungspunkt für die neue EU-Verordnung betrifft die Tierarzneimittel-Zulassung. Das schließt unter anderem auch Vereinfachungen beim Zulassungsverfahren ein. Diese Neuerungen wirken sich in Deutschland konkret auf bestehende Zulassungen einiger Varroazide aus. Das Verfahren der sogenannten Standardzulassung, das es bislang nur in Deutschland gab, fällt jetzt gänzlich weg. Die bislang so zugelassenen Varroazide dürfen jedoch mit einer Übergangsfrist bis zum Jahre 2027 weiterhin in der Praxis angewendet werden. Das gilt für alle Varroazide, die mit dem Zusatz „ad us. vet.“ (zum tierärztlichen Gebrauch) gekennzeichnet sind: Ameisensäure 60 %, Formivar® 60 %, Milchsäure 15 %, Oxalsäure-dihydrat-Lösung 3,55 (m/V) und Oxuvar® Oxalsäuredihydrat-Lösung 3,5 % (m/V). Etwaige Bevorratung durch die Imkerschaft ist wegen der gewährten Übergangsfrist komplett unnötig. Wir raten davon sogar ab, denn auch diese Tierarzneimittel unterliegen einem begrenzten Haltbarkeitsdatum.

Aus dieser Situation heraus bedarf es deshalb entsprechender Zulassungsanträge von Firmen, die zukünftig Varroazide für die Imkerei vertreiben wollen. Um die Verfügbarkeit von Tierarzneimitteln innerhalb der Union auch für kleine Märkte zu verbessern, wie dies für den Imkereisektor gilt, sieht die neue EU-Verordnung vor, auch Zulassungen zu erteilen, ohne dass ein komplettes Dossier für den Antrag vorgelegt werden muss. Grundlage kann dann eine Nutzen-Risiko-Bewertung der Situation und falls nötig besondere Verpflichtungen sein. Das alles lässt berechtigt darauf hoffen, dass nach der gewährten Übergangsfrist neue Zulassungen und Applikationsformen von bewährten Varroaziden durch Firmen zuvor erwirkt wurden.

Sämtliche Arzneimittel-Anwendung müssen vom Eigentümer bzw. Halter für die zur Lebensmittelgewinnung dienenden Tiere detailliert dokumentiert werden

Das gilt uneingeschränkt auch für alle Bienenhalter. Die Pflicht zur Buchführung beziehungsweise zur Nachweispflicht gilt für alle angewendeten Arzneimittel beziehungsweise Varroazide in der Imkerei. Das ist ganz unabhängig davon, ob es sich um verschreibungs-, apothekenpflichtige oder freiverkäufliche für Bienen zugelassene Tierarzneimittel handelt. Diese Dokumentation (Bestandsbuch) muss zudem für fünf Jahre zur Kontrolle durch die zuständigen Behörden zur Verfügung stehen. Im Fall von verschreibungspflichtigen Tierarzneimitteln kann zur Dokumentation auch eine Kopie der tierärztlichen Verschreibung verwendet werden.

■ Die Einhaltung der Vorgaben der EU-Verordnung und des TAMG in der Imkerei kann beziehungsweise wird zukünftig behördlich überprüft

Zur Überprüfung, ob die neue EU-Verordnung und das TAMG tatsächlich eingehalten werden, führen die zuständigen Behörden entsprechende Kontrollen unter anderem auch bei Eigentümern und Haltern von der Lebensmittelgewinnung dienenden Tieren durch. Das gilt also auch für die Imkerei. Einzelheiten dazu sind im Artikel 123 in der neuen Verordnung festgeschrieben.

Beide Rechtsnormen dürften für die nächsten Jahrzehnte den rechtlichen Rahmen für den Medikamenteneinsatz in der Imkerei und der Tiermedizin vorgeben.

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