Herrenlosen Schwärmen eine Behausung bieten
So kann man sie vor dem sicheren Tod in freier Natur bewahren
In absehbarer Zeit beginnt die Schwarmsaison 2024. Auch wenn es bewährte imkerliche Möglichkeiten gibt, das Schwärmen der Bienen mit der Erstellung von Jungvölkern elegant umzulenken, ziehen alljährlich immer noch viele Bienenschwärme aus ihren Beuten aus und müssen sich dann „herrenlos“ eine neue Bleibe suchen. Das ist grundsätzlich schwierig, da es an geeigneten natürlichen Baumhöhlen mangelt. Die Bienen ziehen dann gegebenenfalls auch in vorhandene Hohlräume in Gemäuern oder sonstige Ersatzbehausungen ein. Dort sind sie oft unerwünscht und auf Dauer nicht überlebensfähig. Eingezogen in natürliche Baumhöhlen sind die Schwärme sich selbst überlassen auch darin einem sicheren Tod geweiht. So haben Untersuchungen von Schwarzspecht-Höhlen in Wäldern Süddeutschlands (Schwäbische Alb und in der Region Coburg/Lichtenfels) gezeigt, dass sie attraktive Behausungen für Bienenschwärme darstellen[1]. Immerhin waren etwa zehn Prozent der über 400 untersuchten Schwarzspecht-Höhlen mit Bienenvölkern besiedelt. Jedoch haben auch in diesen Baumhöhlen die Schwärme aufgrund hoher Wintermortalität nur eine äußerst geringe Lebenserwartung. Sterben die Schwärme über den Winter, werden die Höhlungen im folgenden Frühjahr oft durch neue Schwärme wiederbesiedelt. Alle diese Völker gehen auf abgegangene Schwärme von Bienenständen der Imker in der Umgebung zurück. Insgesamt erreichten die untersuchten Völker (vormals Schwärme) eine durchschnittliche Lebenserwartung von lediglich sieben Monaten. Das lässt sich wesentlich mit dem Varroa-Viren-Komplex erklären. Verwilderte Bienenvölker in der Natur, die aus Schwärmen hervorgehen, können also bei uns keine sich selbst erhaltende Population bilden. Diese dem Tod geweihten Schwärme sind ein verloren gegangenes Potential, das es auch unter Bienenwohl-Gesichtspunkten, wenn möglich, zu retten gilt.
Diesen herrenlosen Schwärmen könnte man leere Beuten anbieten und darauf hoffen, dass sie angenommen werden. Wenn dann diese Schwärme als Völker imkerlich betreut werden, sind zumindest diese vor einem vorzeitigen Tod gerettet.
Seuchenrechtliche Vorgaben müssen unbedingt beachtet werden
Leere, vormals mit Bienen besetzte Bienenwohnungen/Beuten für potentielle Schwärme bereitzustellen, ist nach den Vorgaben der Bienenseuchen-Verordnung (BienSeuchV) verboten. Die BienSeuchV (§ 6) ist hierzu eindeutig. Dort heißt es: „von Bienen nicht mehr besetzte Bienenwohnungen sind vom Besitzer der Bienen stets bienendicht verschlossen zu halten“. Dieses Verbot ist auch begründet, denn von Bienen nicht mehr besetzte Bienenwohnungen können Sporen der anzeigepflichtigen Amerikanischen Faulbrut enthalten. Diese bleiben bekanntlich über viele Jahrzehnte höchst infektiös.
Anders sieht es aus, wenn man ganz neue, von den Bienen noch nie besetzte Beuten aufstellen würde und hofft, dass dort Schwärme einziehen. Das stünde nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der BienSeuchV. Andererseits zeigen die BienSeuchV und die gelebte Praxis der Seuchenbekämpfung einen Weg auf, um gegebenenfalls auch vormals mit Bienen besetzte Beuten für diesen Zweck zu nutzen. Dabei ist der Bezug im § 8 Absatz 8 der BienSeuchV zu finden. Dort heißt es: „Die Bienenstände und Bienenwohnungen, außer solchen aus Stroh, sowie Gerätschaften sind nach näherer Anweisung des beamteten Tierarztes und unter amtlicher Überwachung zu reinigen und zu entseuchen“. Berücksichtigt man die Vorgaben der BienSeuchV (§§ 6, 8) und bezieht bei dem Vorhaben unbedingt die zuständige Veterinärbehörde mit ein, so kann eine vormals mit Bienen besetzte Beute entsprechend entseucht und gereinigt werden. Vorher darf man sie nicht für herrenlose Schwärme einsetzen. Mit dieser Vorsichtsmaßnahme können auch von Bienen nicht mehr besetzte Bienenwohnungen potentiell Bienenschwärmen ein „neues Zuhause“ bieten.
Bedenken vor herrenlosen Schwärmen sind eher unbegründet
Herrenlosen Schwärmen wird mitunter nachgesagt, sie seinen „Varroa-Schleudern“ oder „Überbringer der Faulbrut“. Das aber ist nicht belegt und eher unwahrscheinlich. Im Gegensatz zu erkrankten Bienenvölkern, gehen Schwärme aus gesunden und starken Völkern hervor. Für Brutkrankheitserreger bedeutet der Schwarmvorgang sowohl im abgehenden Schwarm und dem zurückgebliebenen geschwärmten Volksteil eine totale Zäsur, in der es aufgrund der zeitweisen Brutfreiheit zwangläufig keine Vermehrungsmöglichkeit gibt. Schwärme kann man gut gegen die Varroamilbe behandeln, wenn diese einlogiert und noch brutfrei sind. Das Kunstschwarm-Verfahren wird genutzt, um seuchenverdächtige und ansteckungsverdächtige Völker bei Ausbruch der Amerikanischen Faulbrut zu sanieren, was im offenen Kunstschwarm gängige Praxis ist. So ist selbst im Fall von herrenlosen Schwärmen eine Sorge vor Ansteckungen eher unbegründet.
Beuten für herrenlose Bienenschwärme aufstellen – unsere Empfehlung
Will man also herrenlosen Schwärmen ein geeignetes Zuhause bieten, so kann man entweder neues Beutenmaterial oder vorher entseuchte Beuten für diesen Zweck aufstellen. Bevor Sie also benutztes Beutenmaterial für eine Besiedlung für Schwärme aufstellen wollen, müssen Sie dieses einer Behandlung unterziehen und das genauso, wie im Seuchenfall. Diese Entseuchung wiederum sollte nur nach Anweisung eines beamteten Tierarztes beziehungsweise unter amtlicher Überwachung vollzogen werden. Wenden Sie sich also für diese Vorhaben zunächst an ihr zuständiges Veterinäramt. Als geeignetes Reinigungs- und Desinfektionsverfahren für zuvor benutztes Beutenmaterial gelten eine fünfprozentige oder eine heiße dreiprozentige Natronlauge (Ätznatron). Das Material muss danach mit klarem Wasser abgespült (neutralisiert) und getrocknet werden. Für einen Schwarm reicht eine Zarge mit Boden und Deckel. Sie können diese mit gedrahteten Leerrähmchen, ausgestattet mit Anfangsstreifen, bestücken. Schwarm-Lockmittelchen, die im Handel angeboten werden, kann man sich komplett sparen, denn Bienen ziehen nachweislich auch in Ersatzbehausungen ohne Lockmittel ein. Es ist sicherlich hilfreich, das Flugloch mit einem Mäusegitter zu versehen. Sonst bietet man womöglich Mäusen eine trockene Behausung. Dieses Raumangebot für herrenlose Schwärme sollte ausschließlich nur in der Zeit von Mitte April bis Mitte Juni zur Verfügung gestellt werden.
Vielleicht haben Sie in dieser Schwarmsaison Glück und ein herrenloser Schwarm zieht bei Ihnen ein. Dann ist zumindest dieser vor dem sonst sicheren Tod in freier Natur geschützt. Wir wünschen Ihnen viel Freude mit Ihren Bienen!
Dr. Otto Boecking
Franziska Odemer
[1] Kohl PL, Rutschmann B, Steffan-Dewenter I. 2022 Population demography of feral honeybee colonies in central European forests. R. Soc. Open Sci. 9: 220565.
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