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Die Varroa-Milbe – vom Nobody zum weltweiten Imker-Schreck

Die parasite Varroamilbe schädigt die Honigbienen – sie sind eine große Bedrohung für die Imkerei


Jahrtausende lang ein Schattendasein

Klein, quer oval, rotbraun gefärbt, mit dem bloßen Auge gut erkennbar, ausgestattet mit Sägezahn-ähnlichen Mundwerkzeugen, lebte sie lange versteckt ein Schattendasein ausschließlich in Honigbienenvölkern in Südostasien. Entdeckt wurde sie vor über 100 Jahren von Edward Jacobson auf der Insel Java in Apis cerana indica Bienenvölkern. Einzelne Exemplare schickte er damals an das Museum in Leiden, Südholland. Im Jahre 1904 nahm sich der Zoologe Oudemans dieser an und beschrieb sie als eine neue Milbenart. Benannt hat er die circa 1,6 Millimeter große Milbe nach ihrem Entdecker Varroa jacobsoni.

Heute weiß man: Es existierten zudem schon damals noch weitere Varroaarten in Asien in Völkern dort heimischer Honigbienenarten. In ihrer Heimat lebt die Milbe Varroa jacobsoni zusammen mit der östlichen Honigbiene in einer gut eingespielten Wirt-Parasit-Beziehung. Dafür waren unzählige Generationen wechselseitiger Anpassung notwendig. Die Milbe, die sich ausschließlich nur in den Honigbienenvölkern vermehren kann, ist jedoch damit auch gänzlich abhängig von ihrem Wirt. Ihre Reproduktion in der Bienenbrut ist dort ausschließlich auf die saisonal begrenzt aufgezogene Drohnenbrut beschränkt. Die übrige Zeit müssen sich diese Milben auf den erwachsenen Bienen aufhalten. Das schaffen sie, indem sie Blut von den erwachsenen Bienen saugen. Die östliche Honigbiene Apis cerana ist eine andere Art als „unsere“ westliche Apis mellifera. Sie haben sich vermutlich seit der letzten Eiszeit, vor mindestens 10.000 Jahren, räumlich voneinander getrennt.

Die hiesigen Honigbienen besaßen über Jahrtausende eine andere, mit dem bloßen Auge nicht erkennbare Milbe, die Tracheenmilbe. Sie lebt und vermehrt sich in den Atemwegen der erwachsenen Bienen. Über viele Imkergenerationen hinweg verursachte diese Milbe noch im letzten Jahrhundert erhebliche Völkerverluste auch in Deutschland. Heute scheint sie hier fast ausgerottet.

Ursprünglicher Wirtswechsel geschah unbemerkt in Asien

Außer der Entdeckung und Erstbeschreibung der Varroamilbe vor über 100 Jahren, blieb es dann lange Zeit gänzlich ruhig um diese Milbe. Der Grundstein für einen Wechsel vom unauffälligen Nobody zum „Imker-Schreck“ war aber damals schon vor ihrer Entdeckung in Asien unbemerkt gelegt. Den Anfang machten Verbringungen von Bienenvölkern der westlichen Art in das Verbreitungsgebiet der östlichen Honigbiene gegen Ende des 18. und mit Beginn des 19. Jahrhunderts, als man diese von der Ukraine und Baschkirien am Ural in den Osten Kasachstans verbrachte. Mit dieser westlichen Honigbiene waren höhere Honigerträge zu erzielen und sie waren einfacher in ihrer Handhabung. Sie wurde vermehrt und breitete sich schließlich bis an die Pazifikküste in die Gegend um Wladiwostok aus. Das reicht nahe an die koreanische Grenze, mitten hinein in das natürliche Verbreitungsgebiet der östlichen Honigbiene Apis cerana. Mit dieser Einschleppung der fremden Honigbienenart wurden auch deren typischen Krankheitserreger verschleppt.

Darunter litten die asiatischen Honigbienen. Andererseits konnte nun die Varroamilbe unbemerkt auf einen neuen Wirt, die westliche Honigbiene Apis mellifera, wechseln. 1964 wurde die Varroa-Milbe in Iman festgestellt, eine sowjetische Stadt im Gebiet Primorije, nahe der Grenze zu China. Sie schädigte die von Menschen dorthin eingeschleppten westlichen Honigbienenvölker massiv. Damals begannen in der ehemaligen Union der sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) Forschungsarbeiten zur Bekämpfung der Varroose, wie man die Krankheit heute nennt.

Blutsaugendes „Biest“

Die Varroamilbe lebt vom Fettkörper (Speicherorgan) und dem Blut (Hämolymphe) der Bienen und vermehrt sich in deren Brutzellen auf Kosten des Bienennachwuchses. Mit ihren messerscharfen Mundwerkzeugen kann die weibliche Milbe die Haut der Bienenlarve und -puppe anstechen. Dies gelingt ihr auch bei erwachsenen Bienen, wenn sie sich dazu mit ihrem flachen Körper zwischen die Hinterleibs-Segmente der Biene zwängt.

Varroamilben auf Biene  
Varroamilben auf Bienenpuppen
Varroamilben auf Biene  
Varroamilben auf toter Biene


Beim Anstich können gefährliche Viren und Bakterien übertragen werden oder diejenigen Viren, die schon in den Bienen schlummern, aktiviert werden. Im Milbenspeichel ist ein Enzym enthalten, das die Blutgerinnung der Biene hemmt. So können auch die Milbennachkommen an der offenen Wunde in der Bienenpuppe ihre Nahrung aufnehmen. Die Vermehrung in der Brutzelle ist optimal an die sich entwickelnde Biene angepasst. Sie wird sogar durch Duftstoffe der Bienenlarve synchronisiert. Bieneneiweiße dienen der Versorgung der Milbennachkommen. Geschwisterpaarungen sind die Regel. Die Milbe bevorzugt Drohnenbrut gegenüber der Arbeiterinnenbrut, weil ihr damit drei Tage länger Zeit für die Entwicklung ihrer Nachkommen bleibt. Im Gegensatz zur asiatischen Honigbiene bietet die westliche fast das ganze Jahr hindurch Reproduktionsmöglichkeiten für die Milbe. Ohne die Abhilfe durch den Imker gehen Bienenvölker bei uns unweigerlich an der Varroamilbe ein.

Augen besitzt die Milbe keine. Sie kann aber Bienen und -larven am Geruch unterscheiden. Mit ihren vier Beinpaaren und kleinen Haftlappen ist sie zwar auf der Einzelbiene und auf Kurzstrecken auf der Wabe äußerst mobil. Zum weiteren Transport oder gar zur Ausbreitung braucht sie jedoch die erwachsene Biene, auf der sie so als "Hitchhiker" Neuland betreten kann. Imker und die Globalisierung haben die rasante Ausbreitung dieser invasiven Art beschleunigt.

In Deutschland angekommen, folgte dann eine nahezu weltweite Ausbreitung

Die Varroamilbe hat sich in den letzten 40 Jahren nahezu weltweit ausgebreitet. In Europa wurde sie erstmals 1967 in Bulgarien nachgewiesen, 1971 in Tschechien und 1976 im früheren Jugoslawien. Diese Milben hatten – wie oben beschrieben – ihren Ursprung in den Regionen, in die man die westliche Honigbiene mehr als ein Jahrhundert zuvor verbracht hatte und damit den Milbenwechsel zwischen den beiden Bienenarten ermöglichte. Damit war auch der umgekehrte Weg für die Milbe geebnet. 1977 fand man die ersten Varroamilben in Deutschland, zunächst begrenzt in Hessen. Der Sprung hierher gelang der Milbe jedoch auf direktem Wege aus Asien, zunächst unbemerkt, auf dorthin für Forschungszwecke eingeführte Apis cerana Bienenvölker. Alle Bemühungen, sie wieder loszuwerden, waren damals erfolglos. Anfangs mussten Varroa-befallene Völker vernichtet werden, bis man feststellte, dass diese Strategie die Ausbreitung der Milbe allenfalls verzögern, aber nicht stoppen kann.

Selbst wenn es den beschleunigten Weg für die Varroamilbe direkt von Asien nach Deutschland nicht gegeben hätte, wäre sie dennoch über kurz oder lang hier angekommen. Ihre schnelle Verbreitung verdankt die Milbe der Tatsache, dass Bienenvölker stetig Kontakt zu anderen Völkern unterhalten. Werden Bienenvölker durch die Varrooschädigung immer schwächer, sind sie ein willkommenes Ziel räubernder Bienen stärkerer Völker aus der Umgebung. Sie schleppen nicht nur den fremden Honig zurück in den eigenen Stock, sondern auch alle Krankheitserreger einschließlich der Milben. Der weltweite Handel, das Verbringen von Bienenvölkern über Grenzen hinweg, begünstigen natürlich die Ausbreitung dieses „Biests“.

Die Milbe mit weltweitem Siegeszug ist eine andere Varroamilbe

Molekularbiologische Untersuchungen ermöglichen heute, die Wege der invasiven Arten im Nachhinein zu rekonstruieren. Im Jahre 2000 zeigte sich, dass es sich bei der am weitesten verbreiteten Bienenmilbe nicht um die ursprünglich von Oudemans 1904 beschrieb Varroa jacobsoni handelt, sondern um eine eigene Art. Sie wurde aufgrund ihrer zerstörerischen Fähigkeiten dann neu in Varroa destructor umbenannt. Die weltweit zu beobachtende genetische Uniformität dieser Varroamilbe zeigt, dass sie offensichtlich seinerzeit mit nur einigen wenigen Individuen von Apis cerana auf Apis mellifera übergegangen ist. Die weltweite Ausbreitung der Varroamilbe gelang ihr in kürzester Zeit. Die Grundlagen dafür haben Menschen schon Jahrhunderte zuvor geebnet. Bis auf Australien und die widrige Antarktis, in der keine Honigbienen leben, ist heute kein Kontinent mehr frei von dieser invasiven Art. Der Sprung von Varroa nach Australien ist vielleicht nur noch eine Frage der Zeit. Das wäre fatal, denn nicht die dortigen Imker müssten mit erheblichen Verlusten rechnen (siehe externer Link A). Alle dort noch wild lebenden Honigbienenvölker würden nach einer Varroa-Invasion ausgelöscht werden, wie es in allen Ländern und Kontinenten der Fall war (siehe externer Link B).


Links:

Link A: AgriFutures Australia: Varoa


Link B: Parliament of Australia: Future of the beekeeping and pollination service industries in Australia



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