„Bienensterben“ - eine differenzierte Betrachtung
In der Koevolution von Blütenpflanzen und Bestäuberinsekten hat sich ein fein abgestimmtes Beziehungsgeflecht bezüglich Nahrungserwerb und damit einhergehender Bestäubung entwickelt. Insekten werden durch Blütenduft und -farbe angelockt und mit Nektar und Pollen für die Bestäubungsleistung belohnt. Honig-/Wildbienen und andere Insekten sind aufgrund ihrer Bestäubungsleistungen von unschätzbarem ökologischem und ökonomischem Wert für blühende Wild- und Kulturpflanzen.
Das besagte Bienensterben bezieht sich tatsächlich auf die Wildbienen (Solitärbienen wie Mauerbienen, Hosenbienen, Sandbienen, Furchenbienen, Maskenbienen etc. und Hummelarten). Mehr als die Hälfte der ca. 580 Wildbienenarten sind in Deutschland bedroht und dies seit Jahrzehnten – und nicht erst seit kurzem. An erster Stelle ist dafür der Lebensraumverlust ursächlich. Hierzu zählen unter anderem die Versiegelung von Landschaftsräumen durch Ausweitung von Wohn- und Gewerbegebieten, Verbreiterung von Straßen, monotone Gartengestaltung und vieles mehr.
Fehlt es an den spezifischen Nährpflanzen, können sich die Wildbienen nicht ernähren. Sind Pflanzen auf sehr spezifische Bestäuberbienenarten angewiesen und fehlt es an diesen, können sich gegebenenfalls auch die Pflanzen nicht vermehren.
Viele Wildbienenarten haben sehr spezifische Ansprüche an ihren Lebensraum (Nistort, Nistmaterial, Nahrungspflanzen) und benötigen einen ungestörten Lebensraum, da deren Entwicklungsstadien (Eier, Larven, Puppen, adulte Bienen) zum Teil über Monate in einer Ruhephase in der Niströhre/Nisthöhle liegen. Sind diese Nistansprüche nicht gegeben, können die Tiere dort nicht leben und sich fortpflanzen.
Hinzukommen Insektizide, die zwar im Zulassungsverfahren auf Honigbienen, aber nicht auf Wildbienen getestet werden. Zwar werden seit wenigen Jahren unter anderem auch vom Bieneninstitut Celle neben Versuchen mit Honigbienen auch solche mit einer Mauerbienenart und einer Hummelart durchgeführt, dadurch sind aber nicht die diversen Wildbienen und deren sicherlich unterschiedlichen Empfindlichkeiten gegenüber Insektiziden abgedeckt.
Honigbienen – Verluste und Schwächungen!
Honigbienen haben im Gegensatz zu den Wildbienen ein ausgefeiltes Sozialsystem entwickelt und sogar anstelle einer Ausdehnung der Immunkompetenz ihr Sozialverhalten weiterentwickelt. Das Bienenvolk ist eine hoch sozial organisierte Dauergemeinschaft mit ausgeprägter Arbeitsteilung und Kommunikation. Durch den ausgeprägten Sozialstaat können die Honigbienen bestimmte Ausfälle von Bienen / Verlust von Bienen kompensieren, ohne dass das Bienenvolk eingeht.
Gleichwohl sind bei Honigbienenvölkern immer wieder erhebliche Überwinterungsverluste zu verzeichnen. Die Hauptursache für Überwinterungsverluste ist die Varroose (Parasit Varroamilbe und assoziierte Viren).
Neben der Hauptursache Varroose werden Bienen und Bienenvölker in ihrer Robustheit / Widerstandskraft durch Nahrungsmangel geschwächt: Übrigens, in der Großstadt ist das Nahrungsangebot besser als in der Agrarlandschaft.
Die Anzahl Bienenvölker, die durch unsachgemäßen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln geschädigt werden, ist in Deutschland nach der Statistik des Julius-Kühn-Institutes Braunschweig relativ gering. Gleichwohl können auch nicht bienengefährliche Pflanzenschutzmittel zu Verlusten von einzelnen Bienen führen, aber selten zum Verlust von Bienenvölkern. (siehe auch Artikel: Pflanzenschutzmittel und Bienenschutz)
Das Bieneninstitut Celle forscht am Ursachenkomplex
Das LAVES Institut für Bienenkunde Celle hat neben der Varroose den möglichen Ursachenkomplex auch auf weitere Stressfaktoren untersucht. Als Beispiele seien genannt:
- Varroapopulation und Nahrungsangebot sowie Witterungsverlauf
- Proteinversorgung und Insektizide
- subletale (Heimfindevermögen, Orientierung) oder chronische Effekte (chronische Toxizität bei Larven und erwachsenen Bienen) von Insektiziden
- Nahrungsversorgung
- Umweltmonitoring: Vergleich von Land- und Stadtstandorten.
Was kann getan werden, um die Situation für die Honigbienen zu verbessern?
- Imker: konsequente Bekämpfung der Varroamilbe und Versorgung der Bienenvölker.
- Landwirte: konsequente Einhaltung der Bienenschutzverordnung sowie Ausbringung auch der als nicht bienengefährlich kategorisierten Pflanzenschutzmittel (B4) erst nach der täglichen Hauptflugzeit der Bienen. Weiterhin Blühflächen anlegen.
- Kommunen, privat Personen, Firmen usw.: Nahrungsangebote für Bienen schaffen.
Den Wildbienen helfen vor allem:
- Vermeidung der weiteren Zerstörung von Lebensräumen,
- möglichst Verzicht auf das Mähen oder Mähen von Wegrändern etc. zum richtigen Zeitpunkt, nämlich nach der Blüte, und bevorzugt Staffelmahden durchführen,
- besseres Angebot an Nährpflanzen,
- sinnvolle Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und möglichst eine Ausbringung der Pflanzenschutzmittel außerhalb der Flugzeiten der Bienen.
Honigbienen und Wildbienen ergänzen sich bei der Bestäubung. Eine angebliche Nahrungskonkurrenz konnte nicht belegt werden (siehe Dokumente zu Konkurrenz zwischen Wildbienen und Honigbienen - Infoblatt 65 sowie Stellungnahme der AG der Bieneninstitute ).
Die Förderung der Wildbienen (s.o.) wirkt sich auch positiv auf Honigbienen aus. Förderung bedeutet vor allem auch Schutz von Lebensräumen und damit der Biodiversität. Bienen wiederum tragen durch ihre Bestäubungsleistung zur Biodiversität bei, denn dank der Bestäubung können sich Pflanzen vermehren und deren Samen und Früchte dienen anderen Tieren als Nahrung.
Nach Jahrzehnten einer eher egoistisch und anschließend anthropozentrisch geprägten Ethik bzgl. des Schutzes von Arten, steht seit längerem in der Gesetzgebung sowie in der Förderung eine biozentrische Ethik beim Artenschutz im Vordergrund. Es geht nicht mehr darum nur bestimmte attraktive Arten zu schützen und zu retten, sondern ganze Habitate mit ihrer Artenvielfalt und genetischen Vielfalt. Dies betrifft auch direkt das Betätigungsfeld im Bieneninstitut, nämlich den Schutz von Wildbienen sowie die Förderung von Honigbienen und Imkerei. Ursachen für Verluste sind nicht monokausal zu erklären. Es sind immer viele und zum Teil ineinander greifende Faktoren. Dies zu erkennen ist bedeutsam für die Entwicklung von Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung von Biodiversität, die nämlich nur dann erfolgreich sein können, wenn auch sie vielfältig und miteinander verknüpft sind. Jeder sollte erkennen, dass er auch an irgendeiner Stelle mit verantwortlich für den Verlust von Biodiversität ist bzw. auch gegensteuern kann.