Mineralölverunreinigung in Lebensmitteln
Mineralölbestandteile können über eine Vielzahl von Eintragspfaden in das Lebensmittel gelangen. Bereits bei der Ernte oder während des Produktionsprozesses kann eine Kontamination durch Kontakt mit Schmierölen stattfinden.
Im Lebensmittel- und Veterinärinstitut Braunschweig/Hannover (LVI BS/H) des LAVES werden Lebensmittel auf Gehalte an Mineralölkomponenten untersucht.
Wie kommt das Mineralöl in die Lebensmittel?
Ungewollt können Mineralölbestandteile aus Recyclingverpackungen, Druckfarben, Maschinenöl oder mit Ölen behandelte Jutesäcke in die Lebensmittel gelangen. Aber auch zulässige Anwendungen, wie zum Beispiel Schneidöle, Klebstoffe, Trägerstoffe für Pestizide oder Wachse und Paraffine als Trenn- oder Überzugsmittel, sind als Rückstände in den Lebensmitteln zu finden.
Zum Beispiel wird zur Herstellung von Lebensmittelkartonverpackungen unter anderem auch Zeitungspapier und anderweitig bedrucktes Papier verwendet, wodurch Mineralölkomponenten aus den Druckfarben in die Lebensmittelverpackung gelangen können. Die Mineralöle können bisher im Recylingprozess nicht ausreichend entfernt werden.Welche Mineralölkomponenten werden untersucht?
Chemisch betrachtet handelt es sich bei den gesättigten Kohlenwasserstoffen um ketten- und ringförmige Strukturen (MOSH), die häufig auch mit Seitenketten versehen sind (Alkylierung). Die Abkürzung MOSH steht dabei für „mineral oil saturated hydrocarbons“. Neben diesen gesättigten Mineralölbestandteilen liegen im Mineralöl auch aromatische Kohlenwasserstoffe vor, welche man auch als MOAH definiert – „mineral oil aromatic hydrocarbons“. Die MOAH-Fraktion besteht aus einer komplexen Mischung aus überwiegend alkylierten aromatischen Kohlenwasserstoffen. Als Untersuchungsmethode dient die Chromatografie.
Der Nachweis der Mineralölgehalte in Lebensmitteln ist sehr anspruchsvoll, da natürlich im Lebensmittel vorkommende Kohlenwasserstoffe im Vorfeld erkannt und bei der Berechnung der Mineralölgehalte berücksichtigt werden müssen. Eine weitere Herausforderung bei der Gehaltsbestimmung ist, dass es sich bei MOSH/MOAH um ein äußerst komplexes Gemisch handelt, dessen Gehalt als Summe aller Komponenten bestimmt werden muss.
Diese weiteren Komponenten ähneln oft der MOSH-Gruppe. Der Lebensmittelverband Deutschland (früher Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.) definiert diese weiteren, ähnlichen Komponenten wie folgt:
MORE = Mineralölraffinationsprodukte (Mineral Oil Refined Products); anteilige MOSH, die durch Einsatz von Hilfs- und Zusatzstoffen in Form zugelassener raffinierter Mineralölprodukte, wie zum Beispiel paraffinische Wachse, in Lebensmittel gelangen können
PAO = Polyalphaolefine; Bestandteil von synthetischen Schmierstoffen und Hotmelt-Klebstoffen; können in Lebensmittel migrieren und sind analytisch nur schwer von MOSH zu unterscheiden
POSH = Oligomere aus den Kunststoffen Polyethylen oder Polypropylen (Polymer Oligomeric Saturated Hydrocarbons), die den MOSH chemisch gleichen und analytisch nicht getrennt werden können (1).
Welche Lebensmittel können besonders betroffen sein?
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht davon aus, dass besonders bei trockenen Lebensmitteln mit einer großen Oberfläche wie beispielsweise Mehl, Grieß, Reis, Semmelbrösel oder Frühstückscerealien ein Übergang der Mineralöle aus der Verpackung auf das Lebensmittel zu erwarten ist. Der Übergang erfolgt neben dem direkten Kontakt von Lebensmittel und Verpackung zu einem wesentlichen Teil über Verdampfen der MOSH/MOAH-Substanzen, die sich dann auf dem Lebensmittel niederschlagen.
Welches Risiko besteht für den Verbraucher und gibt es Grenzwerte?
Durch Aufnahme von Mineralölbestandteilen über die Lebensmittel kommt es beim Menschen zur Anreicherung dieser Substanzen im Körperfett. Besonders in Leber, Herzklappen und Lymphknoten können sich Ablagerungen von mineralischen Kohlenwasserstoffen bilden und dort zu Schäden führen.
Grundsätzlich sind solche Kontaminationen unerwünscht, da das gesundheitliche Risiko noch nicht abschließend geklärt ist (2). Da diese Substanzklasse aus einer Vielzahl von einzelnen Stoffen besteht, führt auch keine Risikoabschätzung einzelner Stoffe zu einem befriedigenden Ergebnis.
Für die Lebensmittelüberwachung ist dies eine sehr unbefriedigende Situation, da die ermittelten Untersuchungsergebnisse nicht einheitlich beurteilt werden können. Darum ist es sehr begrüßenswert, dass sich eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der amtlichen Lebensmittelüberwachung und der Lebensmittelwirtschaft mit dem Thema befasst hat und ein Orientierungswertekonzept mit einem strikten Minimierungsgedanken auf Basis des ALARA-Prinzips („As Low As Reasonably Achievable“ deutsch so niedrig wie möglich) erarbeitet hat (3).
Folgend sind die Richtwerte aufgelistet:
Nr. |
Produktgruppe Lebenmittelkategorie |
MOSH und Analoga [mg/kg] C10 - C50 |
MOAH |
Hinweise zur Anwendung (Hinweise zu den erfassten Lebensmittelgruppen/zu nicht erfassten Produkten und Abgrenzungen/ggf. zu Begründungen, Datenbasis oder sonstige Besonderheiten |
1 |
Pflanzliche Öle (wie Rapsöl, Sonnenblumenöl, Leinöl, Olivenöl) (außer Öle/Fette tropischer Pflanzen und Sojaöl) |
13 |
n.b.1 |
Diese Orientierungswerte sind nicht zur Anwendung für Öle/Fette, die aus tropischen Pflanzen gewonnen wurden (z. B. Kokosöl), vorgesehen aufgrund ungenügender statistischer Datenbasis (im Dez. 2018). |
2 |
Brot und Kleingebäck, Feine Backwaren, Getreideerzeugnisse und getreidebasierte Produkte, Cerealien, Teigwaren, Reis |
6 |
n.b.2 |
Nur anwendbar auf Enderzeugnisse für Verbraucher; nicht für Rohwaren oder Rohteige |
3 |
Süßwaren (Zuckerwaren außer Kaugummi) Schokolade und kakaobasierte Süßwaren |
9 |
n.b.2 |
1 n.b. - nicht bestimmbar: LOQmax (vgl. JRC Technical Report) für Fette/Öle entspricht 2 mg/kg
2 n.b. - nicht bestimmbar: LOQmax (vgl. JRC Technical Report) für fettarme Lebensmittel < 4 % Fett entspricht 0,5 mg/kg; < 4 % Fett entspricht 1 mg/kg
Wie werden Lebensmittel auf Mineralölbestände untersucht?
Im Lebensmittel- und Veterinärinstitut Braunschweig/Hannover (LVI BS/H) des LAVES werden am Standort Braunschweig die Mineralölkomponenten mit Hexan aus den Lebensmitteln extrahiert und mit Hilfe der Hochdruckflüssigkeitschromatografie (HPLC) in zwei Fraktionen (MOSH und MOAH) aufgetrennt, die dann online in einen Gaschromatographen (GC) überführt werden und parallel an zwei Flammenionisationsdetektoren (FID) detektiert werden (HPLC-GC-Kopplung).
Diese beiden Gruppen (MOSH und MOAH) enthalten eine Vielzahl an Einzelkomponenten, die chromatographisch nicht zu trennen sind und daher im Chromatogramm als Hügel oder Berge auftreten.Für die quantitative Auswertung müssen alle scharfen Peaks, die auf den "Hügeln" sitzen, abgezogen werden. Möglicherweise stören weitere natürliche Inhaltsstoffe der Lebensmittel, so dass weitere Reinigungsschritte durchgeführt werden müssen, um möglichst saubere "Hügel" zu erhalten" (4).
Wenn in einer Probe MOAH nachgewiesen wurde, sollte zusätzlich routinemäßig ein Verfahren angewandt werden, das einen möglichen Gehalt an 3-7 kernigen Aromaten nachweisen kann (5).
Die mit LC-GC-FID nachgewiesenen "Hügel" werden in weitere Bereiche der MOSH- und MOAH Fraktion eingeteilt
(C-fractions nach 1):
MOSH |
MOAH |
MOSH > C10 bis < C16 | MOAH > C10 bis < C16 |
MOSH > C16 bis ≤ C20 | |
MOSH > C20 bis ≤ C25 | MOAH > C16 bis ≤ C25 |
MOSH > C25 bis ≤ C35 | MOAH > C25 bis ≤ C35 |
MOSH > C35 bis ≤ C40 | |
MOSH > C40 bis ≤ C50 | MOAH > C35 bis ≤ C50 |
Die Einteilung soll Rückschlüsse auf den Eintrag der Mineralölkomponenten geben. So ist ein Nachweis im Bereich von C10 - C25 meist ein Hinweis auf einen Übergang über die Gasphase aus der Verpackung. Üblicherweise beträgt das Verhältnis von MOSH:MOAH aus Recyclingverpackungen 4:1. Ein anderes Verhältnis ist ein Hinweis auf andere Komponenten.
Ergebnisse
In den Jahren 2018 und 2019 wurden 251 Lebensmittelproben auf MOSH/MOAH untersucht. Die Ergebnisse sind in der untenstehenden Tabelle zusammengestellt.
Wie aus der Tabelle hervorgeht, ist in der überwiegenden Zahl der Proben kein MOAH nachzuweisen. Auch die MOSH-Gehalte liegen meistens unterhalb der Bestimmungsgrenze oder sind eher gering. Nur zwei Proben waren auffällig: im Jahr 2018 eine Schokolade mit 50,1 mg/kg MOSH und im Jahr 2019 ein Olivenöl mit einem MOSH-Gehalt von 34,6 mg/kg und einem MOAH-Gehalt von 2,6 mg/kg.
In der Tabelle sind nur Werte angegeben, die auch eindeutig der MOSH/POSH und MOAH-Fraktion zugeordnet werden konnten. Um möglichst keine Mineralölgehalte zu übersehen, arbeitet der Fachbereich 41 des LVI BS/H auch weiterhin an der Optimierung der Methode. Hierfür wird demnächst zur weiteren Charakterisierung der MOAH-Fraktion eine multidimensionale GC-GC-MS-Kopplung beschafft. Darüber hinaus arbeitet der Fachbereich an der Überarbeitung der europäischen Normmethode EN 16995 zur Bestimmung von MOSH und MOAH mit.
MOSH | MOAH | ||||
Lebensmittel | Anzahl untersuchter Proben | Anzahl der Proben < BG 1 | Maximaler Gehalt in mg/kg | Anzahl der Proben < BG 1 | Maximaler Gehalt in mg/kg |
Milchprodukte | 4 | 0 | 4,3 | 4 | |
Butter | 16 | 14 | 3,5 | 16 | |
Käse | 42 | 28 | 7,8 | 28 | |
Olivenöl | 1 | 0 | 34,6 | 0 | 2,6 |
Haferflocken | 12 | 7 | 3,3 | 12 | |
Knäckebrot | 26 | 24 | 2,8 | 26 | |
Weizenkleingebäck | 22 | 22 | 22 |
||
Weizengrütze | 4 | 2 | 3,8 | 4 | |
Weizengries | 8 | 7 | 2,4 | 8 | |
Basmatireis | 19 | 18 | 6,1 | 19 | |
Bulgur | 8 | 7 | 2,4 | 8 | |
Brotmischungen | 15 | 14 | 2,2 | 15 | |
Biskuitrollen | 14 | 7 | 2,8 | 14 | |
Mürbegebäck | 16 | 16 | 16 | ||
Tortenboden | 1 | 0 | 2,8 | 1 | |
Waffeln | 7 | 6 | 3,3 | 7 | |
Schokolade | 36 | 21 |
50,1 |
18 |
2,6 |
1 BG = Bestimmungsgrenze
- für MOSH = 2 mg/kg für alle Matrizes
- für MOAH = 1 mg/kg für Butter, Haferflocken, Weizenkleingebäck, Tortenboden und Waffeln
- für MOAH = 2 mg/kg für alle anderen Matrizes
Literatur
(1) Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V., Toolbox zur Vermeidung von Einträgen unerwünschter Mineralölkohlenwasserstoffe in Lebensmitteln, Stand: Dezember 2017
(2) Fragen und Antworten zu Mineralölbestandteilen in Lebensmitteln, aktualisierte FAQ des BFR vom 12. Dezember 2017, bfr.bund.de/Fragen und Antworten
(3) Rüdiger Welling, Jens Witte und Verena Koospal, Das Orientierungswertekonzept für mineralölartige Stoffe einschließlich Mineralöl (MOSH, MOAH) in Lebensmitteln, Deutsche Lebensmittelrundschau, Dezember 2019, 115. Jahresausgabe S.545
(4) JRC Technical Report (2019) Guidance on sampling, analysis and data reporting for the Monitoring of Mineral oil hydrocarbons in food and food contact materials. ISBN 978-92-76-00172-0
(5) EFSA Technical Report (2019) Rapid Risk assessment on the possible risk for public health due to the contamination of infant formula and follow-on formula by mineral oil aromatic hydrocarbons (MOAH) EFSA 2019: EN-1741
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