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Acrylamiduntersuchung in Lebensmitteln – ein Überblick

Durch stärkeres Erhitzen wie beim Braten oder Frittieren kann Acrylamid entstehen. Besonders Produkte aus Getreide sind davon betroffen. Das Lebensmittelinstitut Braunschweig des LAVES überprüft die Acrylamidgehalte in Lebensmitteln. Die Beobachtung der Acrylamidgehalte seit 2002 hat deutlich gemacht, dass für einige Lebensmittel eine beeindruckende Reduzierung der Werte möglich ist. Für andere Lebensmittel ist hingegen kaum eine Veränderung zu erreichen, ohne den erwarteten Geschmack zu beeinträchtigen.

Was ist Acrylamid?

Acrylamid entsteht in Lebensmitteln beim stärkeren Erhitzen, zum Beispiel beim Backen, Braten, Frittieren und Grillen, aus der Aminosäure Asparagin und reduzierenden Zuckern (Glucose, Fructose). Betroffen sind hauptsächlich Getreideprodukte wie beispielsweise bestimmte Cerealien (Cornflakes), Knäckebrot, verschiedene Backwaren, Kartoffelprodukte wie Pommes und Chips sowie Kaffee. Die Bildung des Acrylamids ist abhängig von der Temperatur, Dauer des Erhitzens und dem Wassergehalt des Lebensmittels. Die Gehalte in den einzelnen Lebensmitteln sind daher sehr unterschiedlich.

Im Tierversuch ist Acrylamid krebserregend und schädigt das Erbgut. Die IARC (International Agency for Research on Cancer – Internationale Krebsforschungsagentur) hat Acrylamid als „wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen" eingestuft.

Gibt es Grenzwerte für Lebensmittel?

Verbindliche Grenzwerte für Acrylamid in Lebensmitteln, wie man sie aus anderen Bereichen wie beispeilsweise Mykotoxine kennt, gibt es zurzeit in Europa nicht. Aber nachdem es jahrelang nur Richtwerte gemäß einer Empfehlung (Empfehlung 2013/647/EU) gab, hat die EU Ende 2017 eine Verordnung erarbeitet, die Minimierungsmaßnahmen und Richtwerte für die Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln festlegen soll (Verordnung (EU) 2017/2158).

In der Verordnung sind die Richtwerte für Acrylamid im Vergleich zur vorherigen Empfehlung nochmals gesenkt worden (vergleiche Tabelle 1).

Neu ist, dass bei Überschreitung dieser Werte die Lebensmittelunternehmer verpflichtet sind, je nach Größe und Art ihres Betriebs, verbindliche Maßnahmen zur Reduzierung des Acrylamidgehalts zu ergreifen.

Darüber hinaus wurde in einer weiteren Empfehlung (Empfehlung (EU) 2019/1888) eine "nicht erschöpfende Liste von auf Acrylamidgehalt zu überwachenden Lebensmitteln" veröffentlicht. In dieser Liste sind Lebensmittel aufgeführt, für die bisher keine Richtwerte festgelegt sind.

Die fortlaufende Absenkung der Acrylamidgehalte ist ein Erfolg jahrelanger Datensammlung, Entwicklung und Forschung. Hierfür wurden in Deutschland ab 2002 durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sogenannte Signalwerte eingeführt. Diese wurden für 13 Warengruppen in der Regel jährlich aus den ermittelten Acrylamidgehalten berechnet. Der Signalwert ist dabei der Wert, der von 90 Prozent der Proben einer Warengruppe unterschritten wurde. Grundsätzlich galt zu dieser Zeit ein maximaler Signalwert von 1000 µg/kg.

Nach den ersten Datenerhebungen konnten die betroffenen Hersteller durch Rezepturanpassungen und Veränderung in der Herstellung (niedrigere Temperaturen) die Gehalte in vielen Warengruppen reduzieren, so dass sich der Signalwert mit jeder neuen Datenberechnung reduzieren ließ.

Eine Übersicht über die Signalwerte von der 1. bis 8. Berechnung ist beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu finden.

Im Januar 2011 wurden dann mit der Empfehlung der Europäischen Kommission zur Untersuchung des Acrylamidgehalts von Lebensmitteln erstmals auf europäischer Ebene Richtwerte („Indicative values“) für die meisten Lebensmittelgruppen eingeführt. Zwei Jahre später konnten diese Richtwerte auf Grundlage der EFSA-Überwachungsdaten aus den Jahren 2007-2012 erweitert und zum Teil nochmals reduziert werden (Empfehlung 2013/647/EU).

Tabelle 1 zeigt die mit der Verordnung 2017/2158/EU eingeführten Richtwerte im Vergleich mit den vorherigen Richtwerten für Acrylamid gemäß der Empfehlung 2013/647/EU:

Lebensmittel

EU-Richtwert gemäß Empfehlung 2013/647/EU

(µg/kg)

Richtwert gemäß Verordnung 2017/2158/EU

(µg/kg)

Verzehrfertige Pommes frites

600

500

Kartoffelchips aus frischen Kartoffeln und aus Kartoffelteig

Cracker auf Kartoffelbasis


1000


750

Weiches Brot

Brot auf Weizenbasis

weiches Brot ausgenommen Brot auf Weizenbasis


80

150


50

100

Frühstückszerealien (ausgenommen Porridge)

Kleieprodukte und Vollkornzerealien, gepuffte Körner

Produkte auf Weizen- und Roggenbasis

Produkte auf Mais-, Hafer-, Dinkel-, Gerste- und Reisbasis



400


300


200



300


300


150

Kekse, Cracker, Knäckebrot und Ähnliches

Kekse und Waffeln

Cracker ausgenommen Cracker auf Kartoffelbasis

Knäckebrot

Lebkuchen

Den anderen Produkten in dieser Kategorie ähnliche Produkte



500

500

450

1000


500



350

400

350

800


300

Gerösteter Kaffee

450

400


Instant-Kaffee (löslicher Kaffee)

900

850

Ersatzkaffee

Ersatzkaffee hauptsächlich auf Getreidebasis

anderer Ersatzkaffee aus Zichorie


2000


4000


500


4000

Kekse und Zwieback für Säuglinge und Kleinkinder


200

150

Getreidebeikost für Säuglinge und Kleinkinder, ausgenommen Kekse und Zwieback


50


40

Untersuchungsergebnisse des LAVES

In Niedersachsen werden seit 2002 regelmäßig Lebensmittel auf Acrylamid untersucht. Im Fokus stehen dabei insbesondere die Lebensmittel, für die die EU-Kommission Richtwerte festgelegt hat (siehe Tabelle 1).

Im Folgenden werden einige Untersuchungsergebnisse aus den Jahren 2018 und 2019 dargestellt. In diesem Zeitraum wurden am Lebensmittel- und Veterinätinstitut Braunschweig/Hannover des LAVES etwa 700 Proben auf Acrylamid untersucht. 41 Proben (5,8 Prozent) überschritten dabei die empfohlenen Richtwerte.

Pommes Frites

      Kartoffelprodukte

      Die natürliche Zusammensetzung von Kartoffeln begünstigt die Bildung von Acrylamid. Neben der Temperatur und der Erhitzungszeit spielen vor allem die Aminosäure Asparagin und reduzierende Zucker eine große Rolle bei der Bildung des Stoffes. Wichtig dabei zu wissen ist, dass der Gehalt an reduzierenden Zuckern während der Lagerung von Kartoffeln über die Wintermonate ansteigt, so dass die entstehenden Acrylamidmengen in verarbeiteten Produkten über das Jahr durchaus schwanken können. Auch für den Hausgebrauch wird neben der nicht zu starken Erhitzung daher empfohlen, Kartoffeln nicht zu kalt, also über 6° C, zu lagern.

      Tabelle 2 zeigt die Untersuchungsergebnisse für Kartoffelchips und verzehrfertige Pommes frites (2018-2019)


      Kartoffelchips

      Verzehrfertige Pommes frites

      Anzahl Proben

      105

      40

      Minimum [µg/kg]

      <10 (4)*

      <10 (3)*

      Maximum [µg/kg]

      1279

      728

      Mittelwert [µg/kg]

      294

      206

      Median [µg/kg]

      197

      193

      Proben über Richtwert **

      4 (4%)

      2 (5%)












      * Anzahl Proben unter Bestimmungsgrenze von 25 µg/kg

      **zugrunde gelegter Richtwert für Kartoffelchips 750 µg/kg, für verzehrfertige Pommes frites 500 µg/kg

      Als Fernsehsnack erfreuen sich Kartoffelchips großer Beliebtheit. Aber besonders in dieser Warengruppe waren die Gehalte an Acrylamid in den ersten Jahren der Untersuchungen teilweise weit über dem damals festgelegten Signalwert. Durch verschiedene Forschungsarbeiten seitens der Industrie, der Universitäten und des Verbraucherschutzes konnten mit Hilfe des Minimierungsprinzips Verfahren entwickelt werden, die den Acrylamidgehalt deutlich sinken ließen. In den letzten Jahren lagen somit nur noch etwa vier Prozent der untersuchten Proben über dem geltenden Richtwert.

      Für die Untersuchung von verzehrfertigen Pommes frites werden Proben direkt frisch zum Beispiel bei Imbissbuden entnommen und am Lebensmittelinstitut Braunschweig untersucht. Neben den ausgewählten Zutaten seitens der Industrie ist hierbei vor allem derjenige für die Qualität der Produkte verantwortlich, der diese Pommes frites frittiert und dann verzehrfertig anbietet. So sind zum Beispiel Imbissbetreiber angehalten, eine Frittiertemperatur von maximal 175°C einzuhalten. Dies wird von den Lebensmittelüberwachungsbehörden während der routinemäßigen Betriebskontrollen überwacht. Bei den knapp 40 Proben der letzten Jahre überschritten lediglich zwei Proben den zu dem Zeitpunkt geltenden Richtwert von 500 µg/kg.

      Neuer Trend: Gemüsechips

      Als vermeintlich gesündere Alternative zu Kartoffelchips finden sich seit einiger Zeit immer mehr Gemüseprodukte im Snackregal. Die oft farbenfrohen Gemüsechips werden durch Backen oder Frittieren von Süßkartoffeln, Pastinaken, Rote Beete oder Karotten hergestellt. Gesünder sind diese Snacks allerdings nicht. Der Gehalt an Fett und Salz ist mit reinen Kartoffelchips vergleichbar. Mehr dazu kann auch im Artikel „Gemüsechips: Eine gesunde Alternative?“ gelesen werden.

      Für die Beurteilung des Acrylamidgehaltes werden Gemüsechips ebenfalls mit Kartoffelchips verglichen, da es für diese Lebensmittelkategorie (noch) keinen eigenen Richtwert gibt. Dabei ist Bildung von Acrylamid in Gemüsechips abhängig von Dauer, Temperatur und Art des Herstellungsprozesses, aber auch von der Gemüseart. Versuche konnten zeigen, dass vor allem Süßkartoffel und Karotten zu stark belasteten Produkten führen können.

      Tabelle 3 zeigt die Untersuchungsergebnisse für Gemüsechips (2018-2019)


      Gemüsechips

      Anzahl Proben

      33

      Minimum [µg/kg]

      25

      Maximum [µg/kg]

      2093

      Mittelwert [µg/kg]

      935

      Median [µg/kg]

      741

      Proben über Richtwert **

      15 (45 %)

      **zugrunde gelegter Richtwert für Kartoffelchips 750 µg/kg

      Weihnachtskekse Bildrechte: © photocrew - Fotolia.com
        Feine Backwaren - Lebkuchen, Spekulatius und Co

          Vor allem zur Weihnachtszeit sind speziell gewürzte Kekse und Kuchen wie Lebkuchen und Spekulatius beliebt. Während für „normale" Kekse ein Acrylamidrichtwert von 350 µg/kg gilt, ist für Lebkuchen ein Richtwert von 800 µg/kg einzuhalten. Dieser hohe Wert für Lebkuchen ist mit den Zutaten des Traditionsgebäckes zu begründen. Die zum Einsatz kommenden Honige (reduzierende Zucker), die gerösteten Mandeln (hohe Asparagingehalte) und das traditionell verwendete Hirschhornsalz als Backtriebmittel haben jeweils einen Einfluss auf die beim Backen entstehende Acrylamidmenge.

          Hier konnte vor allem der Ersatz des Hirschhornsalzes durch Backpulver die Acrylamidgehalte minimieren, so dass keine Probe in den letzten Jahren den Richtwert mehr überschritt.

          Für Feine Backwaren wie Kekse und Spekulatius beträgt der Richtwert 350 µg/kg. In diesen Warengruppen kommt es gelegentlich zu Überschreitungen des angestrebten Acrylamidgehaltes. Allerdings zeigen die Mittelwerte und der sogenannte Median (Zentralwert), dass der Großteil der untersuchten Proben weit unter den festgesetzten Richtwerten liegt.

          Einen Sonderfall stellen die sogenannten Braunen Kuchen dar. Braune Kuchen sind eine norddeutsche Spezialität zur Weihnachtszeit. Ähnlich gewürzt wie Lebkuchen mit Honig, Nelken, Zimt und Hirschhornsalz und Pottasche als Backtriebmittel, gehören sie aber in die Warengruppe der Mürbekekse. Der Richtwert liegt für diese Produkte bei 350 µg/kg und konnte in 50 Prozent der untersuchten Proben nicht eingehalten werden.

          Tabelle 4 zeigt die Untersuchungsergebnisse für verschiedene Keksarten (2018-2019)

          Lebkuchen Spekulatius Braune Kuchen andere feine Backwaren

          Anzahl Proben

          8

          49

          8

          181

          Minimum [µg/kg]

          <10 (1)*

          <10 (3)*

          63

          <10 (51)*

          Maximum [µg/kg]

          435

          1055

          1500

          1275

          Mittelwert [µg/kg]

          167

          241

          611

          99

          Median [µg/kg]

          122

          208

          365

          62

          Proben über Richtwert **

          0

          8 (17%)

          4 (50%)

          7 (4%)

          * Anzahl Proben unter Bestimmungsgrenze von 25 µg/kg

          **zugrunde gelegter Richtwert für Lebkuchen 800 µg/kg, für Kekse, Spekulatius und Braune Kuchen 350 µg/kg

          Fazit

          Toast Bildrechte: Toast: © greenpapillon - Fotolia.com

          Die Beobachtung der Acrylamidgehalte seit 2002 hat deutlich gemacht, dass für einige Lebensmittel, zum Beispiel für Spekulatius, eine beeindruckende Reduzierung der Gehalte möglich ist. Für andere Lebensmittel wie Lebkuchen, sind hingegen nur geringe Veränderungen zu erreichen, ohne den vom Verbraucher erwarteten Geschmack zu beeinträchtigen.

          Der Dialog zwischen Lebensmittelproduzenten, der Wissenschaft und der Lebensmittelüberwachung zeigt, dass gemeinsame Anstrengungen zum Erfolg führen. Im Falle Acrylamid hat dies zu einem besseren Verbraucherschutz geführt.

          Tipps für Verbraucherinnen und Verbraucher

          Da Acrylamid in den verschiedensten Lebensmitteln enthalten sein kann, ist es für Verbraucher oft schwierig abzuschätzen, wie hoch die persönliche Aufnahme pro Tag ist. Daher hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ein Acrylamidrechenprogramm entwickelt, mit dem der Verbraucher die eigene Acrylamidaufnahme pro Tag und Kilogramm Körpergewicht ermitteln kann. Das Programm berücksichtigt ausgewählte Lebensmittel mit hohen Acrylamidgehalten.

          Acrylamid entsteht aber nicht nur bei der industriellen Herstellung von Lebensmitteln. Auch bei der häuslichen Zubereitung von Speisen ist die Bildung von Acrylamid in einem gewissen Maße unvermeidbar. Es gibt jedoch einige Tipps, wie die Acrylamidgehalte in selbst zubereiteten Speisen reduziert werden können. So gilt generell die Maxime „Vergolden statt Verkohlen": Pommes frites, Gebäck, Toastbrot und ähnliches sollten lediglich eine goldbraune Färbung haben und nicht zu dunkel oder gar schwarz werden.

          Beim Frittieren und für die Zubereitung im Backofen gilt: Temperatur runter. Das Öl in der Fritteuse sollte nicht über 175° C erhitzt werden und die Temperatur im Backofen sollte 180° C (Umluft) beziehungsweise 200° C (Ober- und Unterhitze) nicht übersteigen.

          Für selbst hergestellte Kartoffelprodukte empfiehlt es sich, frische Kartoffeln zu verwenden. Bei Selbsteinlagerung sollte eine Temperatur von über 6° C eingehalten werden, um die vermehrte Bildung von reduzierenden Zuckern zu vermeiden.

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