„Kindermilch“ ist keine Milch
Hersteller müssen Produktnamen ändern
Als „Kindermilch" wurden jahrelang komplex zusammengesetzte und stark verarbeitete Produkte verkauft. Das ist unzulässig, denn die Bezeichnung „Milch" ist EU-weit geschützt. Nach häufigen Beanstandungen und übereinstimmenden Beschlüssen in länderübergreifenden Gremien haben sich Überwachungsbehörden aus drei Bundesländern, darunter die Region Hannover, darauf verständigt, das Verbot der Bezeichnung „Kindermilch“ gemeinsam umzusetzen – mit Erfolg.
Im Rahmen der europäischen Marktordnung unterliegt die Bezeichnung „Milch“ seit über 30 Jahren einem besonderen Schutz, um die Qualität und Unverfälschtheit von Milch und Milcherzeugnissen zu erhalten. Nur das durch Melken von Säugetieren gewonnene Erzeugnis darf als „Milch“ bezeichnet werden. Andere Erzeugnisse dürfen die Bezeichnung „Milch“ nicht tragen, auch nicht in Wortverbindungen wie „Kindermilch“.
„Kindermilch“: Milchpulver mit Zusätzen
Bei den im Lebensmitteleinzelhandel unter dem Produktnamen „Kindermilch“ angebotenen Erzeugnissen handelt es sich um komplex zusammengesetzte Produkte auf Basis von verarbeiteten Milchprodukten mit zugesetzten pflanzlichen Fetten, Lactose und anderen Kohlenhydraten, Vitaminen, Mineralstoffen, Emulgatoren, und teilweise auch mit Aromastoffen. Sie werden überwiegend als Pulver angeboten. Ähnliche handelsübliche Pulvernahrungen sind „Säuglingsmilchnahrung“ und „Folgemilch“ für Säuglinge, die nicht oder nicht ausschließlich gestillt werden. Dabei handelt es sich um qualitativ hochwertige und durchaus hochpreisige Produkte, die, soweit erforderlich, als Ersatz für Muttermilch bei Säuglingen bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres verwendet werden. Für Kleinkinder ab einem Jahr sind solche Spezialprodukte jedoch für eine angemessene Ernährung nach aktuellen Empfehlungen nicht notwendig.
Zukünftig „Kindergetränk“ oder „Kinderdrink“
Mit Unterlassung der verbotenen Bezeichnung „Kindermilch“ werden die Produkte zukünftig unter Angaben wie „Kindergetränk“ oder „Kinderdrink“ in Verbindung mit der jeweiligen Altersangabe vermarktet. Rechtlich ist bei diesen Produkten die Angabe einer beschreibenden Bezeichnung erforderlich, die es Verbrauchern ermöglicht, die tatsächliche Art des Lebensmittels zu erkennen und es von ähnlichen Erzeugnissen zu unterscheiden. Diese Bezeichnung ist häufig deutlich kleiner oder auf der Seite der Verpackung angegeben und könnte zum Beispiel „Milchgetränkepulver zur Ernährung von Kleinkindern mit entrahmter Milch und pflanzlichen Ölen“ lauten.
Laut der europäischen Verordnung über „Food for Specific Groups“ (Verordnung (EU) Nr. 609/2013 - FSG) werden Milchgetränke für Kleinkinder und vergleichbare Erzeugnisse zukünftig nicht speziell geregelt. Sie unterliegen derzeit noch teilweise den Bestimmungen der nationalen Diätverordnung und sind beim ersten Inverkehrbringen anzeigepflichtig. Die Nährstoffzusammensetzung ist (anders als bei Folgemilch) nicht verbindlich vorgeschrieben. Sie unterliegen lediglich dem allgemeinen Lebensmittelrecht und als angereicherte Lebensmittel den Vorschriften der „Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln“.
Inhaltsstoffe | Empfohlener Gehalt (Min-Max) |
Teilentrahmte Milch |
Energie (kcal/100ml) |
45 - 70 |
48 |
Protein (g/100 kcal) |
1,6 - 2,7 |
6,9 |
Fett (g/100kcal) |
Max. 6 |
3,3 |
Linolsäure (mg/100 kcal) |
Min. 500 |
40 |
α-Linolsäure (ALA) (mg/100 kcal) |
Min. 50 |
21 |
Docosahexansäure (DHA) (mg/100 kcal) |
Wünschenswert: 15 |
- |
Verwertbare Kohlenhydrate (g/100 kcal) |
Max. 10 |
10 |
Lactose | 80 % der Kohlenhydrate |
100 % |
Vitamin D (µg/100 kcal)
|
Min. 1,5 |
0,06 |
Eisen (mg/100 kcal) |
Min. 1 |
0,09 |
Jod (µg/100 kcal) |
Min. 12 |
6,8 |
[1]AINIA, Centro Tecnológico, 2013, Report of „data collection with respect to the availability and nutritional composition of different types of milk-based drinks and similar products for young children with the denomination of „growing up milks” or „toddlers' milks” or with similar terminology currently on the market in EU Member States”, EFSA supporting publication 2013: EN-505. S. 12-34. https://doi.org/10.2903/sp.efsa.2013.EN-505 Zitiert im Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über Kleinkindnahrung vom 31.03.2016 (SWD(2016) 99 final
[2] Folgenahrungen für Kleinkinder im Alter von einem bis drei Jahren (sog. Kindermilchgetränke); Stellungnahme der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (Aktualisierung April 2017); Monatsschrift Kinderheilkunde, DOI 10.1007/s00112-017-0311-3
Mädchen trinkt Milch
Tipp für Eltern
Kleinkinder benötigen keine speziellen Milchgetränke, auch keine Folgemilch. Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Kost, deckt ihren Nährstoffbedarf. Möchten Eltern trotzdem auf angereicherte Milchgetränke zurückgreifen, dann sollten diese anstelle von Kuhmilch getrunken werden. Maximal ein bis zwei Tassen am Tag empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Auf jeden Fall sollten Kinder das Milchgetränk aus einer Tasse oder einem Becher trinken, um das altersgemäße Essenlernen zu fördern. Saugflaschen sind nicht empfehlenswert, auch weil das lange Nuckeln Karies fördern kann.
Die Bezeichnung „Milch“ ist EU-weit geschützt
Die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 legt fest, dass die Bezeichnung „Milch“ (bzw. „Butter“, „Käse“, „Joghurt“ usw. für Milcherzeugnisse) eben nur für Milch, Butter etc. erlaubt ist.
Ausnahmen davon sind für Deutschland in einer abschließenden Liste festgelegt. Es handelt sich um insgesamt 21 Produkte, die aufgrund ihrer traditionellen Verwendung genau bekannt sind, wie beispielsweise„Kokosmilch“, „Liebfrauenmilch“, „Erdnussbutter“ oder „Leberkäse“.
Die Bezeichnung „Folgemilch“ stellt eine weitere Ausnahme dar, weil diese Bezeichnung EU-rechtlich für diese Spezialnahrung für Säuglinge vorgeschrieben ist.