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Verboten scharf – „Hot Chips“ mit sehr hohen Capsaicingehalten

Ein braunes Dreieck umringt von dunklen Bröseln in einer Petrischale. Bildrechte: © LAVES
Aufnahme eines originalen „Hot Chips“

Nicht jeder Trend muss mitgemacht werden: 2023 waren mit extrem scharfen Chili-Sorten gewürzte Chips („Hot Chips“) als angesagt. Die Chips wurden einzeln in einer sargförmigen Verpackung aus Pappe als „Challenge“, also als „Mutprobe“, vermarktet. Damit zielten die Hersteller auf Jugendliche und junge Erwachsene ab. Die jungen Leute sollten den gesamten Chip auf einmal verzehren und sich dabei filmen. Hochladen der Videos auf Social-Media-Plattformen sollte das Bestehen der Mutprobe beweisen – als Gewinn lockte ein Smartphone.

In Niedersachsen waren die Chips an Automaten, Kiosken und im Einzelhandel erhältlich, teils nur mit Nachweis der Volljährigkeit. Auch im Internet ließen sich die Produkte ordern.

Probennahme und Analyse

Die Schärfe von Chili hängt vom Gehalt an Capsaicinoiden ab. Als ernsthafte Folgen bei übermäßigem Verzehr können Schleimhautreizungen, Übelkeit, Erbrechen und Bluthochdruck auftreten. Kinder reagieren besonders empfindlich und bei kleinen Kindern sind schwerwiegende Vergiftungen möglich. In einem niedersächsischen Landkreis hatte der Verzehr eines Chips durch ein 13-jähriges Kind einen Notarzteinsatz an einer Schule zur Folge. Medienberichte über solche Einsätze in anderen Bundesländern häuften sich. Von den kommunalen Lebensmittelüberwachungsbehörden wurden Proben der Chips zur Prüfung auf Verkehrsfähigkeit im Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz (LAVES) eingereicht. Dort wurden Gesamtcapsaicingehalte zwischen 5.400 und 13.200 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) festgestellt. Zum Vergleich: Für Erzeugnisse mit Gehalten von mehr als 100 mg/kg Gesamtcapsaicin empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobetrachtung kindersichere Verschlüsse und Warnhinweise.

Für die Analytik und Beurteilung sind innerhalb des LAVES die Fachleute des Lebensmittel- und Veterinärinstitutes Braunschweig/Hannover (LVI BS/H) zuständig. Zur Analyse werden die Capsaicinoide zunächst aus dem Lebensmittel extrahiert. Anschließend werden Capsaicin, Dihydrocapsaicin und Nordihydrocapsaicin mittels HPLC (Hochleistungsflüssigkeitschromatographie) getrennt und mit einem Fluoreszenzdetektor erfasst. Der Gesamtcapsaicingehalt des Erzeugnisses wird aus der Summe der ermittelten Gehalte der drei Substanzen berechnet.
  Bildrechte: © LAVES
Chromatogramm einer Probe der Chips

Die Sachverständigen mehrerer Bundesländer berieten sich zu den hohen Gehalten. Eine nachfolgende Abfrage bei den bundesweit sieben Giftinformationszentren (GIZ) ergab, dass schon mehr als 30 Meldungen zu den Chips vorlagen. Die Beurteilung berücksichtigte:

• die hohen Gesamtcapsaicingehalte

• die vom Bundesinstitut für Risikobewertung zitierten toxikologischen Daten

• die vorgesehenen Bedingungen der Verwendung

• die offensichtlich negativen Auswirkungen auf die Gesundheit

(Notarzteinsätze, Meldungen an GIZ)

• das Fehlen von Warnhinweisen

• die nicht kindersichere Verpackung

Konsequenzen ziehen

Die Proben wurden als möglicherweise gesundheitsschädlich und damit nicht sichere Lebensmittel beurteilt. Entsprechend warnten das EU-Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF) und www.lebensmittelwarnung.de vor den scharfen Chips. Im Lebensmittelrecht gilt zunächst der Grundsatz der Chargenvermutung. Das heißt, dass sich von einer einzelnen problematischen Probe auf die gesamte Charge des Lebensmittels schließen lässt.

Auf diese Basis überwachten die kommunalen Lebensmittelüberwachungsbehörden den Rückruf der betroffenen Chargen. Durch den bundesweiten Austausch zu den Untersuchungsergebnissen war jedoch klar, dass die hohen Gehalte keine Einzelfälle darstellen. Die extreme Schärfe des Produktes war vom Hersteller beabsichtigt und traf auf alle Chargen zu, somit bestand bei bestimmungsgemäßem Verzehr generell eine Gesundheitsgefahr. Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ordnete daher im November 2023 ein chargenunabhängiges Verkehrsverbot an. Damit die Chips nicht in den Verkehr gebracht werden, können die Landkreise, Städte und der Zweckverband Jade-Weser beispielsweise eine Allgemeinverfügung nutzen, wie es zum Beispiel im Landkreis Göttingen für die Chips erfolgte. Schließlich zogen die kommunalen Lebensmittelüberwachungsbehörden in ganz Niedersachsen die „Hot Chips“ aus dem Verkehr.

Neuauflage in 2024

Im Jahr 2024 brachte ein Anbieter eine Neuauflage des Produktes auf den Markt. Einige Proben aus Lebensmittelverkaufsautomaten und aus dem Vertrieb an einer Tankstelle wurden von den kommunalen Behörden des Landes Niedersachsen bereits beim LAVES eingereicht. Bei diesen liegen die Gehalte der Gesamtcapsaicinoide um 1300 mg/kg und fallen damit geringer aus, als die der Original-Edition im letzten Jahr. Es wurden diverse Kennzeichnungsmängel festgestellt.

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