Ein Thunfisch sieht rot - Verbrauchertäuschung durch farbstabilisierten Thunfisch
Tiefrote Thunfischsteaks sehen appetitlich aus, natürlich ist ihre Farbe aber nicht unbedingt. Thunfisch kann mit nitrathaltigen Pflanzenextrakten wie zum Beispiel Rosmarinextrakt behandelt worden sein, wodurch die rote Farbe bestehen bleibt, unabhängig von der Frische und dem Alter des Fisches. Nach einer solchen Behandlung ist es für Verbraucherinnen und Verbraucher nahezu unmöglich, ein frisches von einem nicht mehr ganz frischen oder verdorbenen Erzeugnis zu unterscheiden. |
- Chemisch behandelter Thunfisch – Eine Historie
- Wie bleibt der Thunfisch rot?
- Aktuelle Untersuchungszahlen
- Harmonisierte Beurteilungskriterien in Deutschland
- Aktuelle Methoden zur Farbstabilisierung beim Thunfisch
- Wie die rote Farbe im Detail entsteht
Chemisch behandelter Thunfisch – Eine Historie
Thunfische gehören zur Familie der Thunfische und Makrelen (Scombridae). Sie sind große Raubfische und kommen in tropischen, subtropischen und gemäßigten Meeren vor. Der charakteristische Körperbau und die physiologischen Bedingungen in der Rumpfmuskulatur verleihen den Thunfischen sehr schnelle Bewegungen. Thunfische sind von großer fischereiwirtschaftlicher Bedeutung und wegen ihrer Fleischqualität die in der EU am meisten verbrauchten Speisefische. „Thune und Thunfischverwandte“ umfassen die für den europäischen Binnenmarkt wichtigsten Handels-Fischarten, unter anderem Weißer Thun (Langflossenthun, Thunnus alalunga), Roter Thun (Großer Thun, Blauflossen-Thun, Thunnus thynnus), Echter Bonito (Katsuwonus pelamis) und Gelbflossen-Thun (Thunnus albacares). Sie werden in der EU zumeist importiert und stammen aus Wildfängen oder Aquakulturen.
Die rote Farbe des Thunfischfleisches ist durch den hohen Anteil am Muskelprotein Myoglobin beziehungsweise Oxymyoglobin bedingt. Durch Lagerung verliert das Fleisch seine rote Farbe, da das Myoglobin beziehungsweise Oxymyoglobin zu Metmyoglobin abgebaut wird, welches eine grau-braune Farbe aufweist. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Versuche seitens der Fischindustrie, Verbraucher/-innen hinsichtlich des Frischezustandes von Fisch zu täuschen. So wurde beispielsweise durch die unerlaubte Behandlung von Thunfisch mit Kohlenmonoxid oder kohlenmonoxidhaltigem Räucherrauch – je nach Verfahren als „tasteless smoke“ beziehungsweise „clear smoke“ bekannt – ein Fischfleisch von kirschroter, sehr stabiler Farbe gebildet und somit eine nicht immer vorhandene Frische des Thunfischfleisches vorgetäuscht. Nach einer massiven Untersuchungsoffensive zusammen mit einer entsprechenden rechtlichen Ahndung der Verstöße wurden bei Thunfisch seit etwa 2010 derartige Vergehen kaum noch festgestellt. Eine Behandlung der roten Muskulaturanteile von Tilapiafilets mit Kohlenmonoxid kam im Jahr 2013 infolge konsequenter Untersuchung ebenfalls zum Erliegen. 1
Bei Thunfisch wurde ein unzulässiges Vorgehen zur Farbstabilisierung entdeckt und damit von eine Verbrauchertäuschung festgestellt. Auf dem Markt werden vor allem mit nitrathaltigen Pflanzenextrakten, wie zum Beispiel Rosmarinextrakt und/oder anderen Zusatzstoffen, behandelte Thunfisch-Teile vorgefunden. Die Verwendung von Rosmarinextrakt als Lebensmittelzusatzstoff ist in Ländern der Europäischen Gemeinschaft nur für verarbeitete Fischerzeugnisse zugelassen, die Verwendung von Nitriten oder Nitraten ist mit Ausnahme bei Anchosen aus Heringen und Sprotten nicht zulässig. Derartig behandelte Proben zeigen im rohen Zustand eine unnatürlich stabile rote Farbe. Die rötliche Farbe bleibt auch nach längerem Kochen bestehen: Das gesamte Aussehen sowie insbesondere die Farbe erinnert an Schweinekassler. Unbehandelte Thunfischproben verlieren bei Hitzeeinwirkung üblicherweise ihre rote Farbe und werden gräulich. Die EU-Kommission ging 2016 nach eigenen Angaben europaweit von Gewinnspannen von 200 Millionen Euro pro Jahr durch diese Praktik der Farbstabilisierung aus. 2
Die so behandelten Thunfischteile werden meist unter Bezeichnungen wie beispielsweise „Thunfischfilet, vorgesalzen, küchenfertig, aufgetaut“ oder „Thunfisch-Loins“ in den Verkehr gebracht. Aufgrund der Bezeichnungen erwartet der Verbraucher bei diesen Thunfischteilen kein farbstabilisiertes Fischfleisch, sondern ein unbehandeltes natürliches Stück Thunfisch. Das rohe Fischfleisch weist eine auffällig rote Farbe auf, die auch über einen längeren Zeitraum hinweg stabil bleibt. Auch wenn der Frischezustand des Fisches abnimmt, ändert sich die Farbe des Fischfleisches nicht in ein übliches braun-grau, so dass Verbraucherinnen und Verbraucher über den Frischezustandt getäuscht werden. Ob der Fisch nicht mehr frisch ist, lässt sich im Fall von Thunfisch auch nicht über den Geruch feststellen, da sich dieser kaum verändert. Farbstabilisierter – und nicht als solcher gekennzeichneter – Thunfisch macht es für Verbraucher/-innen nahezu unmöglich, ein frisches von einem nicht mehr ganz frischen oder verdorbenem Erzeugnis zu unterscheiden. Verbraucherinnen und Verbraucher können der erhöhten Gefahr einer Histaminvergiftung ausgesetzt werden.
Im gekochten Zustand hat das Fleisch eine unnatürliche hellrosa Färbung, wie sie für sogenannte „umgerötete“ gepökelte Rotfleischprodukte typisch ist (siehe Abbildung 1), ein Pökelaroma sowie einen salzigen Geschmack, der an Schweinekassler erinnert.
Im Zusammenhang mit der Stellungnahme der EU-Kommission zu illegal behandeltem Thunfisch mit Pflanzenextrakten vom 25.10.2016 (sante.ddg2.g.5(2016)) 6590657) wurden im LAVES-Institut für Fische und Fischereierzeugnisse Cuxhaven 2017 Thunfischproben auf farbstabilisierende Stoffe untersucht. Es wurden 28 Proben von Thunfischteilen, auch als vorverpackte Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 (2) e) der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011, untersucht. Ein maßgeblich hoher Anteil der Proben (18 %) wurde in Bezug auf die Art und Zusammensetzung und dessen Aufmachung als irreführend gemäß Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 beurteilt. Es wurden in keiner der Proben erhöhte Histamingehalte nachgewiesen.
Die Untersuchung von Thunfisch auf farbstabilisierende Stoffe wurde auch in den Jahren 2018 bis 2022 weitergeführt. Es wurden 241 Thunfischproben untersucht. Davon wurden 13 als lebensmittelrechtlich abweichend beurteilt.
Harmonisierte Beurteilungskriterien in Deutschland
Auf Grund der Anwendung der Praktiken beim Thunfisch ist die Farbstabilisierung im Jahr 2017 auch ein Thema beim ALTS gewesen. Der ALTS (= Arbeitskreis der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittel tierischer Herkunft tätigen Sachverständigen) ist ein Bund-Länder-Sachverständigen-Gremium, dessen Aufgabe im wissenschaftlichen Erfahrungs- und Meinungsaustausch sowie in der Harmonisierung der Beurteilung von Untersuchungsergebnissen besteht. Es wurde beschlossen, dass bei rohen, zur Farbstabilisierung mit Zutaten versetzten Thunfischteilen (zum Beispiel Steaks, Filets, Loins), die durch Bezeichnung und gegebenenfalls Aufmachung den Eindruck erwecken, es würde sich um unbehandelte und/oder lediglich vorgesalzene rohe Erzeugnisse handeln, die tatsächlich aber auch Zutaten mit farbstabilisierender Wirkung enthalten, die Informationen über das Lebensmittel in Bezug auf die Art und Zusammensetzung und dessen Aufmachung als irreführend gemäß Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (= Lebensmittelinformationsverordnung) zu beurteilen sind. Diese Beurteilung gilt vorbehaltlich der Rechtmäßigkeit des Herstellungsverfahrens.3
Aktuelle Methoden zur Farbstabilisierung beim Thunfisch
Thunfisch oder Thunfischteile werden vor allem mit Pflanzenextrakten wie beispielsweise Rosmarinextrakt und/oder anderen Zusatzstoffen behandelt, um die ursprünglich rote Farbe eines frischen Fisches zu stabilisieren. Die Verwendung von Nitriten oder Nitraten für diesen Zweck ist nicht zulässig. Das Ziel einer gleichzeitigen Anwendung von Pflanzenextrakten zusammen mit anderen Zusatzstoffen ist, eine Umwandlung von zugeführten Nitraten oder Nitriten zu Stickstoffmonoxid zu bewirken. Für pflanzliche Extrakte wie zum Beispiel Rosmarinextrakt (E 392) sind derzeit keine direkte färbende beziehungsweise umrötende Wirkungen bekannt, wobei seitens der EU die Förderung der Nitritreaktion beim Zusatz von Pflanzenextrakten zu unverarbeiteten Fischfilets als Wirkprinzip beschrieben wird. Das entstehende Stickstoffmonoxid (instabil) ist leicht flüchtig und reagiert mit dem Muskelfarbstoff zum stabilen Nitrosomyoglobin (= Pökelrot), was dem Thunfischfleisch letztlich die stabile rote Färbung verleiht. Als Zusatzstoffe werden Vitamin C oder Natriumascorbat verwendet, die ebenso wie Rosmarinextrakt als Antioxidantien dienen. Hohe Konzentrationen dieser Antioxidantien und anderer Zusatzstoffe wie zum Beispiel Zitronensäure führen dazu, dass durch ständige Bildung von instabilem Stickstoffmonoxid (NO) keine oder wenig Nitrat- oder Nitrit-Rückstände mehr nachweisbar sind (siehe Abbildung 2).
Es werden verschiedene Zusatzstoffe beispielsweise mit Hilfe von Injektoren in das Thunfisch-Filet eingebracht. Bei Einsatz einer Nitrat-/Nitritquelle (zum Beispiel Pflanzliche Extrakte, Salze (Nitritsalze), ...) hemmen die zugesetzten Ascorbate (Natrium-Ascorbat, Vitamin C) die Bildung von Nitrosaminen aus den Aminen des Thunfischfleisches, indem sie mit Nitrit reagieren und die Stickstoffmonoxid-Bildung fördern (NO). Stickstoffmonoxid (instabil) ist leicht flüchtig und reagiert mit dem Oxy- und/oder Myoglobin des Thunfischfleisches, so dass das tiefrote Nitrosomyoglobins entsteht.
Warum erfolgt die Anwendung von Antioxidantien und Säureregulatoren bei Fischfleisch?
Antioxidantien werden üblicherweise zur Vermeidung oxidativer Prozesse an der Oberfläche eingesetzt, zum Beispiel des unverarbeiteten Thunfisch-Loins. Ascorbate sind typische Vertreter von Antioxidantien und bei unverarbeitetem Fisch ohne Mengenbeschränkung (q.s.) zugelassen. Rosmarinextrakt (E 392) ist als Zusatzstoff für verarbeitete Fischereiprodukte zugelassen und wird im Allgemeinen als Antioxidationsmittel verwendet. Antioxidantien können jedoch die bei der Lagerung von Thunfischfleisch üblicherweise auftretende Braunfärbung nicht rückgängig machen, das heißt die Bildung des Metmyoglobin (bräunlich) nicht in Oxymyoglobin (rötlich) zurück umwandeln. Daher würde ein Einsatz von Antioxidantien nach dem Auftauen von Thunfischfilet keinen Sinn mehr machen. Es werden bei der Behandlung von Thunfischfilets mit den verschiedenen Zusätzen dennoch Antioxidantien im Überschuss eingesetzt, weil
- überschüssige Konzentrationen von Antioxidantien dazu führen, dass durch die ständige Bildung von instabilem Stickstoffmonoxid (NO) keine Nitrat- oder Nitrit-Rückstände mehr nachweisbar sind.
- Ascorbate und saure pH-Werte (pH 5), zum Beispiel bei gleichzeitigem Zusatz von Citraten die Nitrit-Bindung am Häm-Komplex, das heißt die Bildung von Nitrosomyoglobin (= Pökelrot) fördern; Zusätze wie E330 = Zitronensäure, E331 = Na-Citrate können als Säureregulatoren wirken und günstige Bedingungen für die kontinuierliche Nitrit-Reaktion zu Nitrosomyoglobin schaffen.
Das heißt, durch die zusätzliche Verwendung von Antioxidantien und Säureregulatoren wird der Abbau von Nitrit begünstigt, so dass zum einen der Prozess schneller abläuft und zum anderen das gesundheitsschädliche Nitrit im Endprodukt nicht mehr enthalten ist. Die potentielle Gesundheitsgefahr durch verbleibendes Nitrit ist nicht mehr gegeben. Eine solche Umrötung kann analytisch schwerer nachgewiesen werden.
Quellen und weiterführende Informationen
1 LAVES: Ein Fisch sieht rot - Behandlung, Lagerung und Transport von frischem Fisch
3 79. Arbeitstagung des Arbeitskreises der auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und der Lebensmittel tierischer Herkunft tätigen Sachverständigen (ALTS), TOP 14 Farbstabilisierte Thunfischteile. J Consum Prot Food Saf (2017) 12:379–391, DOI 10.1007/s00003-017-1128-7
Weltweite Aktion OPSON VII / Deutschland und zehn weitere europäische Staaten gehen gegen Lebensmittelbetrug bei Thunfisch vor: