Mutterkorn – ein Problem in Futtermitteln?
Verstärktes Vorkommen in der Getreideernte 2020
Heimisches Getreide kann von Pilzen befallen werden. Ein großes Problem ist der Pilz Mutterkorn, der Ergotalkaloide enthält und dementsprechend giftig ist. Ein hoher Gehalt an Mutterkorn in Getreide stellt ein Gesundheitsrisiko für Tiere, die Getreide über das Futter aufnehmen, dar. Dementsprechend gibt es Höchstgehalte für Futtermittel, die nicht überschritten werden dürfen. Im Futtermittelinstitut Stade des LAVES werden entnommene Futtermittelproben deshalb regelmäßig auf Mutterkorn untersucht.
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Was wird unter Mutterkorn verstanden?
Mutterkorn bezeichnet umgangssprachlich die Überdauerungsform (Sklerotium) der Pilze der Gattung Claviceps ssp. Diese Pilze wachsen hauptsächlich auf Gräsern und befallen somit auch heimisches Getreide. Insbesondere die Getreidearten Roggen und Triticale (eine Kreuzung aus Roggen und Weizen) zeigen sich hier anfälliger als zum Beispiel Gerste oder Weizen, wobei auch hier ein Befall mit Claviceps ssp. nicht ausgeschlossen werden kann. Die Sporen der Pilze befallen die Blüte des Getreides. Aufgrund seiner Blütenstruktur ist Roggen am anfälligsten.Wann ist mit einem verstärkten Mutterkornbefall zu rechnen?
Ein verstärkter Mutterkornbefall ist insbesondere in Jahren mit feuchter Witterung zur Blütezeit des Getreides Ende Mai bis Juni zu beobachten. Durch die feuchte Witterung sind nicht genügend Pollen zur Bestäubung der Blüte vorhanden. Die Mutterkornsporen können die noch offene Blüte besetzen und bilden bis zur Ernte die dann deutlich sichtbaren Sklerotien als Sporenträger aus.
Aufgrund der im Jahr 2020 zur Roggenblüte insbesondere im Nordwesten Deutschlands vorherrschenden feuchten Witterung war mit einem erhöhten Anteil von Mutterkorn in der Roggenernte zu rechnen.
Warum ist Mutterkorn giftig und welche Höchstgehalte gibt es?
Die im Mutterkorn enthaltenen Alkaloide, sogenannte Ergotalkaloide, zeichnen sich durch eine hohe Toxizität aus, sprich: sie sind giftig. Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat im Jahr 2012 eine Referenzdosis in Lebensmitteln von 1 Mikrogramm pro Kilogramm (µg/kg) Körpergewicht für akute Wirkungen festgelegt. Im Mittelalter war die Toxizität des Mutterkorns noch nicht bekannt, und es wurde mit Brot oder anderen getreidehaltigen Lebensmitteln aufgenommen. Die Folge waren schwere Vergiftungserscheinungen, beschrieben als sogenanntes Antoniusfeuer.
Im Bewusstsein der hohen Toxizität des Mutterkorns wurde in der europäischen Richtlinie über unerwünschte Stoffe in der Tiernahrung (Richtlinie 2002/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Mai 2002) ein Höchstgehalt von 1.000 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) für Futtermittel, die ungemahlenes Getreide enthalten, festgelegt. In der Tiernahrung sind für die kritische Konzentration der Gesamt-Ergotalkaliode in der täglichen Ration für landwirtschaftliche Nutztiere entsprechende Orientierungswerte abgeleitet, zum Beispiel für Sauen in Höhe von 0,03 mg/kg Futter.
Wie werden Futtermittel überwacht?
Die Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Höchstgehalte in Futtermitteln obliegt den Futtermittelüberwachungsbehörden, in Niedersachsen dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES). Zu den anzuwendenden Methoden für die Durchführung amtlicher Kontrollen gehört auch die Probenahme durch die zuständige Behörde. Futtermittel, die den Höchstgehalt an unerwünschten Stoffen überschreiten, dürfen gemäß Futtermittelverordnung nicht in den Verkehr gebracht, verfüttert oder verdünnt werden.
Untersuchungsergebnisse des LAVES
Im Jahr 2020 (Stand 03.12.2020) wurden insgesamt 45 Proben mit dem Untersuchungsauftrag „Mutterkorn“ durch die Futtermittelkontrolleurinnen und Futtermittelkontrolleure des LAVES entnommen. Die Proben wurden im Futtermittelinstitut Stade des LAVES untersucht.
Von den 45 genommenen Proben Futtermittel wurde bei neun Proben eine Überschreitung des Höchstgehaltes von 1.000 mg/ kg festgestellt. Dieses entspricht einer Beanstandungsquote von 20 Prozent. Im Vergleich dazu wurden in den Vorjahren 2019 und 2018 wesentlich weniger Proben beanstandet.
Im Jahr 2019 wurden insgesamt 43 Proben auf Mutterkorn untersucht, wovon lediglich eine Probe den Höchstgehalt von 1.000 mg/ kg überschritten hat.
Im Jahr 2018 wurde in insgesamt 53 Proben ebenfalls nur in einer Probe eine Höchstgehaltsüberschreitung festgestellt. Auch wenn es sich bei den entnommenen Proben der Jahre 2020, 2019 und 2018 nur um Stichproben handelte, so ist die im Jahr 2020 erwartete erhöhte Mutterkornbelastung deutlich erkennbar, wie auch die folgende Abbildung zeigt:
Die Futtermittelüberwachung des LAVES hat in Abstimmung mit den zuständigen Überwachungsbehörden aus anderen Bundesländern Maßnahmen ergriffen, damit die Einhaltung des gesetzlichen Höchstgehaltes in Futtermittel-Ausgangserzeugnissen (insbesondere Getreide) gewährleistet werden kann. Die Futtermittelunternehmen in Niedersachsen wurden im Rahmen von Betriebskontrollen über die futtermittelrechtlichen Anforderungen und über das abgestimmte Vorgehen der Futtermittelüberwachungsbehörden zum Umgang mit Mutterkorn belastetem Getreide in der Ernte 2020 informiert.
Im Rahmen der Betriebskontrollen wurden die Futtermittelunternehmen insbesondere über ihre Mitteilungspflichten gemäß des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und der europäischen Lebensmittel-Basisverordnung (Verordnung (EG) Nummer 178/2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 28. Januar 2002) informiert: „Jeder Futtermittelunternehmer ist verpflichtet, sich bei der zuständigen Behörde zu melden, wenn er Grund zu der Annahme hat, dass ein von ihm eingeführtes, erzeugtes, verarbeitetes, hergestelltes oder vertriebenes Futtermittel die Anforderungen an die Futtermittelsicherheit nicht erfüllt. Gleiches gilt für ein ihm angeliefertes oder von ihm erworbenes Futtermittel.“
Was kann unternommen werden, um den Mutterkornanteil zu reduzieren?
Mutterkorn kann durch den Einsatz geeigneter Reinigungssysteme aus belasteten Getreidepartien entfernt werden kann. Nach praktischen Erfahrungen ist dies durch eine Kombination verschiedener Reinigungsprinzipien und -systeme möglich, zum Beispiel mechanische Leichtkornausleser, Siebsortierer oder Farbausleser.
In der Praxis wurden durch den alleinigen Einsatz von Windsichtersystemen oftmals nicht die gewünschten Erfolge erzielt. Es gilt zu beachten, dass Bewegungen von belastetem Getreide so gering wie möglich zu halten sind, weil es durch Abrieb in den Förderwegen und in mechanischen Reinigungssystemen zu einer Zerschlagung und somit zur weiteren Verteilung des Mutterkorns als Bruchstücke kommen kann. Deshalb ist die Reinigung des Getreides vom Futtermittelunternehmen im Rahmen seines Systems der Risikominimierung (HACCP) durchzuführen. Zusätzlich ist der Reinigungserfolg entsprechend durch Untersuchungen nachzuweisen.
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