Ergotalkaloide in Mischfuttermitteln mit Getreide - ein nachwachsendes Problem
Nachwachsendes Problem - angepasste Kontrolle
Untersuchungsergebnisse
Nicht nur ein Problem bei Roggen...
Die übrigen Verdächtigen
Weizen - ein Problem-Feld?
Was zu tun ist - was getan wird
Orientierungswerte
Was sind Ergotalkaloide?
Energiereiche und gut verdauliche Getreidekörner sind die Ernährungsbasis des Menschen und der meisten intensiv genutzten Tiere.
Getreide wird nicht selten von dem Mutterkornpilz (Claviceps purpurea) befallen. Das Pilzmyzel ist in Form hornähnlicher, harter, schwärzlicher Wucherungen, den Sklerotien, an Getreideähren leicht erkennbar. Ergotalkaloide sind die Gifte des Mutterkornpilzes, die durch ihr toxisches Potential eine immerwährende latente Gesundheitsgefahr für Tiere und Menschen bedeuten.
Auch bei wiederholter Aufnahme in geringer Dosierung können Ergotalkaloide die Gesundheit chronisch schädigen. Bei Schweinen kann sich dies auch in einer bloßen Leistungsminderung, zum Beispiel in reduzierten Wurfgrößen, auswirken.
Mit der Ausweitung des Roggenanbaus im Mittelalter trat bei der Bevölkerung weiter Landstriche seuchenhaft eine schwere Krankheit, das „Antoniusfeuer“ auf. Erst im 17. Jahrhundert wurde der Mutterkornbefall als Ursache für dessen qualvolle Symptome, wie faulig absterbende Gliedmaßen, erkannt.
Da auch bestimmte Wildgräser, wie Ackerfuchsschwanz und Roggentrespe, dem Mutterkornpilz als Wirt dienen, ist und bleibt die Gefahr durch Ergotalkaloide in Getreide enthaltenden Produkten trotz aller Fortschritte bei Anbau, Ernte und Reinigung stets präsent.
Nachwachsendes Problem - angepasste Kontrolle
Getreide als Futtermittel untersteht der ständigen Kontrolle der amtlichen Futtermittelüberwachung des LAVES. Bei der amtlichen Überwachung war ursprünglich der mikroskopische Nachweis der Sklerotien in Getreide das Mittel der Wahl bei der Befallskontrolle.
Als unerwünschter Stoff wurde für diese mit 1000 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) ein Höchstgehalt festgelegt (europäische Richtlinie 32/2002)
Ein 2012 gestartetes, bundesweites Untersuchungsprogramm ergab jedoch, dass der Gehalt an Sklerotien keinen Rückschluss auf deren Gehalt an Ergotalkaloiden erlaubt. Diese Stoffe liegen zudem in 40 Varianten mit wechselnden Anteilen vor. Sie können entsprechend unterschiedliche Wirkungen auf den Organismus ausüben.
Mit der Höchstmengenregelung auf Basis des Sklerotiennachweises in unzerkleinertem Getreide ist somit keine sichere Ableitung auf mögliche Gesundheitsbeeinträchtigungen für die – zudem unterschiedlich empfänglichen – Tierarten möglich.
2019 wurden von der Arbeitsgruppe „Carry over unerwünschter Stoffe in Futtermitteln“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorläufige Orientierungswerte für Ergotalkaloide in der täglichen Ration landwirtschaftlicher Nutztiere abgeleitet. Daraufhin wurde im Futtermittelinstitut Stade (FIS) die Analytik um ein chromatographisches Verfahren erweitert, sodass neben Getreide nunmehr auch Mischfuttermittel untersucht werden.
Bei der Befunderhebung wird, auf der Basis der aktuellen Orientierungswerte, berechnet, mit welchem prozentualen Anteil ein Ergotalkaloide enthaltendes Futtermittel in der Gesamtration maximal enthalten sein sollte, um schädigende Wirkungen auszuschließen.
Untersuchungsergebnisse
Im Jahr 2021 wurden im Futtermittelinstitut Stade insgesamt 56 Mischfuttermittel und 28 Getreideproben aus der amtlichen Probennahme des LAVES auf Ergotalkaloide untersucht und in 80 Prozent aller Proben wurde das Toxin festgestellt.
Die vorläufigen Orientierungswerte (siehe Tabelle unten) für Mischfuttermittel wurden bei elf Proben überschritten.
54 von 56 Mischfuttermitteln enthielten Ergotalkaloide zwischen 12,4 Mikrogramm (µg/kg) und 641 µg/kg (bezogen auf 88 Prozent Trockenmasse).
Nicht nur ein Problem bei Roggen…
Von den Getreiden gelten insbesondere Roggen und in minderem Umfang Triticale aufgrund ihrer exponierten Blüte für einen Befall mit Mutterkorn als prädisponiert, also besonders anfällig. Bei länger andauerndem feuchten und kühlen Frühjahrswetter werden aber auch andere Getreide wie Weizen und Gerste befallen.
Dies hat sich in Getreideproben aus 2021 bestätigt:
- Anteilsmäßig dominierte erwartungsgemäß Roggen mit 10 positiven von 15 Proben bei den Ergotalkoaloidnachweisen, wobei hier der Jahreshöchstgehalt von 641µg/kg Trockenmasse (88 Prozent) analysiert wurde. Unter Vorgabe der Orientierungswerte resultierte daraus eine hohe Beanstandungsquote.
- Drei von vier Weizenproben enthielten Ergotalkaloide, wobei eine mit 406 µg/kg Trockenmasse (88 Prozent) nahe bei den Jahresspitzenwerten lag.
- Bei der Gerste war nur eine von sechs Proben positiv.
- Von Triticale lagen nur drei Proben vor, von denen eine positiv befundet wurde.
Je nach Getreideanteilen ergeben sich somit bei Mischfuttermitteln unterschiedliche Potentiale für den Gehalt an Ergotalkaloiden.
Die Zusammensetzung der Handelsfuttermittel ist überaus komplex und ändert sich mit den Rohstoffangeboten und Marktpreisen. Tierartspezifisch dominieren zwar bestimmte, den Ernährungsbedürfnissen entsprechende, Getreidesorten. Es lässt sich aber nur tendenziell ermitteln, aus welchem Getreide die Haupteinträge von Ergotalkaloiden stammen könnten.
Roggen gilt als besonders empfänglich für den Mutterkornpilz. Er wird jedoch, unter anderem wegen seines unvorteilhaften Geschmacks, quantitativ nur in minderem Umfang in Futterrationen verwendet.
Im Jahr 2021 war Roggen nur in etwa 40 Prozent der im FIS untersuchten Mischfuttermittel für Schweine als Komponente enthalten. Die untersuchten Mischfuttermittel für Rinder enthielten zu einem Viertel Roggen.
In 80 Prozent dieser Mischfuttermittel mit Roggen wurden Ergotalkaloide nachgewiesen.
Die übrigen Verdächtigen
Fraglich sind die Kontaminationsquellen bei acht Mischfuttermitteln, die keinen Roggen enthielten.
Triticale, das Kreuzungsprodukt aus Roggen und Weizen, war insgesamt nur etwa in einem Viertel der Handelsfuttermittel für Schweine ein Bestandteil. Da mehr als die Hälfte der Triticale enthaltenden Mischfuttermittel für Schweine Ergotalkaloide enthielten, ist auch dieses Getreide als Kontaminatonsquelle in Betracht zu ziehen.
In keinem der generell wenig getreidebetonten Rindermischfutter war Triticale enthalten. Dennoch wurden in allen zwölf Mischfuttermitteln für Rinder Ergotalkaloide nachgewiesen, auch wenn sie weder Triticale noch Roggen enthielten.
Gerste ist bei 75 Prozent der Schweinefuttermittel bei der Zusammensetzung unter den ersten drei anteilsmäßig dominierenden Komponenten gelistet. In den untersuchten Rindermischfuttern war Gerste nur bei zwei Proben zu geringen Anteilen enthalten. Die Bedeutung der Gerste für den Eintrag von Ergotalkaloiden in die Mischfuttermittel ist in Anbetracht der überwiegend unbelasteten Gerste-Einzelproben fraglich.
Weizen - ein Problem-Feld?
Drei Mischfutter mit Ergotalkaloidnachweis enthielten weder Gerste noch Roggen. Bei diesen kam für den Eintrag der Ergotalkaloide nur Weizen, beziehungsweise Weizenkleberfutter und Weizenkleie in Frage. Es gibt kaum Mischfuttermittel auf dem Markt, die nicht Weizen oder Weizenprodukte enthalten. Bei Alleinfuttermitteln für Geflügel ist Weizen in der Regel neben Mais die Hauptkomponente.
Ein Aussetzen des Fruchtwechsels könnte problematisch sein, da sich Dauerformen des Mutterkornpilzes im Boden anreichern und empfängliche Getreidesorten zunehmend stärker befallen werden könnten. Zudem begünstigt der verminderte Einsatz von Herbiziden die Ausbreitung des, insbesondere in Weizenbeständen anzutreffenden, Ackerfuchsschwanz als einer der Hauptwirtspflanzen für den Mutterkornpilz.
Was zu tun ist – was getan wird
Die amtliche Kontrolle begegnet dem Problem nicht nur mit einer Aufstockung der Probenzahl, sondern auch mit riskoorientierter Probennahme. Der Fokus richtet sich so zum Beispiel auf Mischfuttermittel für säugende Sauen, bei deren Versorgung Rationen mit Getreideanteilen über 50 Prozent empfohlen werden.
Bislang sind bei getreidehaltigen Futtermitteln für Heimtiere noch keine Orientierungswerte für Ergotalkaloide definiert. Dazu werden fortlaufend Daten gesammelt.
Orientierungswerte
Vorläufige Orientierungswerte für kritische Konzentrationen von Gesamt-Ergotalkaloiden in der täglichen Ration landwirtschaftlicher Nutztiere (mit einer Feuchte von 12 Prozent):
Tierart | Orientierungswert (µg/kg) |
Aufzuchtferkel, Mastschweine | 600 |
Sauen | 30 |
Rinder und Schafe | 100 |
Masthühner | 1900 |
Legehennen | 3700 |
Mast-Pekingenten | 60 |
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