Was ist der Bundesweite Überwachungsplan (BÜp)?
Beim BÜp (Bundesweiter Überwachungsplan) handelt es sich um ein risikoorientiertes
Überwachungsprogramm, bei dem regelmäßig verschiedene
Erzeugnisse (Bedarfsgegenstände, kosmetische Mittel oder Lebensmittel) auf
bestimmte Parameter (chemische, mikrobiologische, Kennzeichnung und andere)
bundesweit untersucht werden. Bei den chemischen Parametern sollte zum Beispiel
überwacht werden, ob unter anderem toxikologisch relevante Grenzwerte bei bestimmten
Stoffen oder Stoffklassen, die gegebenenfalls für Verbraucherinnen und Verbraucher ein Risiko
darstellen können, in verschiedenen Verbraucherprodukten eingehalten werden.
Insbesondere wenn es sich dabei um die neuen gesetzlichen Regelungen
handelt.
Als Beispiel wurden im Jahr 2020 im Rahmen des BÜp Weichmacher explizit
in Gummistiefeln und Regenbekleidung für Kinder sowie in lackierten Spielwaren
aus Holz untersucht.
Dieses BÜp-Programm wurde ausgewählt, da die neuen Regelungen nach der EU-Chemikalienverordnung (REACH-VO, Regulierung von verbotenen Weichmachern in verschiedenen Erzeugnissen
unter anderem auch mit Körperkontakt sowie neue Grenzwerte für den
Weichmacher DiBP in Spielwaren und weiteren Erzeugnissen) ab 20.07.2020 in
Kraft getreten sind. Es sollte in diesem Programm überwacht werden,
inwieweit die neuen gesetzlichen Anforderungen von den Wirtschaftsbeteiligten
bundesweit eingehalten werden.
Warum sind Weichmacher in Spielwaren?
Im Institut für Bedarfsgegenstände Lüneburg (IfB) werden jährlich viele Spielwaren und Kinderprodukte auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit untersucht. Dabei stehen oft im Fokus: Weichmacher.
Was bewirken Weichmacher?
Weichmacher verleihen zum Beispiel Puppen, Bällen, Badetieren sowie weiteren Produkten Elastizität, Dehnbarkeit, Geschmeidigkeit und Viskosität. Je nach den verwendeten Ausgangsmaterialien und Produkteigenschaften kann der Weichmachergehalt bis zu 50 Prozent betragen.
Einige Weichmacher sind gesundheitsbedenklich und weisen unter anderem reproduktionstoxische Eigenschaften (Beeinträchtigung von Sexualfunktion und Fruchtbarkeit bei Mann und Frau) auf. Deren Einsatz in Spielwaren, Babyartikeln und anderen Verbraucherprodukten ist rechtlich verboten, der Höchstgehalt (Restgehalt beziehungsweise Verunreinigung) darf 0,1 Prozent nicht übersteigen. Obwohl den Herstellern viele Alternativen zur Verfügung stehen, zum Beispiel durch den Einsatz von weniger kritischen oder unbedenklichen Weichmacher-Substanzen, kommen weiterhin Produkte auf den Markt (meistens Importe aus Nicht-EU-Ländern), die mit verbotenen Phthalaten belastet sind. Daher werden solche Artikel oder Produkte regelmäßig im Institut für Bedarfsgegenstände Lüneburg (IfB) des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) untersucht und rechtlich beurteilt.
Spielwaren und Kleidung in Niedersachsen
Das Institut für Bedarfsgegenstände Lüneburg hat auch 2020 gezielt verschiedene Spielwaren (Puppen, lackiertes Holzspielzeug, Babyspielzeug, Laufräder) und Körperkontaktmaterialien (unter anderem Regenbekleidung und Gummistiefel) auf Weichmacher hin untersucht. Dabei handelte es sich auch um Untersuchungen nach den „Bundesweiten Überwachungsplänen“ (BÜp). Von insgesamt 171 Spielwarenproben aus Niedersachsen und den Ländern der , die auf Weichmacher getestet wurden, wurden sieben Proben aufgrund der erhöhten Gehalte an verbotenen Phthalaten beanstandet und aus dem Verkehr gezogen. Hierbei handelte es sich um fünf Kinder-Puppen, ein Ballspiel und ein Laufrad mit einem Sattelbezug aus PVC.
Erfreulicherweise war der Buntlack von 38 lackierten Spielwaren für Kinder unter drei Jahren, die hier im Rahmen des BÜp untersucht wurden, unauffällig.
Bei den auf Weichmachern geprüften Körperkontaktmaterialien lag die Probenzahl im Jahr 2020 bei 53. Interessant war, dass die im IfB Lüneburg untersuchten Gummistiefel aus PVC im Rahmen des BÜp-Programms keine verbotenen Phthalate enthielten. Bei diesen Produkten wurden meistens die Ersatzweichmacher Dioctylterephthalat (DOTP) bzw. Hexamoll® (DINCH) festgestellt.
Hingegen wurden unsere Prüferinnen und Prüfer bei einigen Materialien mit engem Körperkontakt fündig. Zwei Proben (ein Regenponcho und ein Kinder-Haarschmuck) waren mit dem verbotenen Phthalat DEHP belastet. Ein Verstoß gegen die rechtlichen Vorgaben zum Einsatzverbot bestimmter Phthalate in Spielwaren und weiteren Produkten bzw. Erzeugnissen stellt gemäß Artikel 67 Absatz 1 in Verbindung mit Anhang XVII Nummer 51 und gegebenenfalls 52 der EU-Chemikalienverordnung „REACH" eine Straftat dar.
Positiver Trend: Weniger Produkte mit verbotenen Phthalaten auf dem Markt
Vergleicht man die Marktsituation bei Produkten mit verbotenen Weichmachern heute mit der von vor zum Beispiel 15 Jahren, sieht man einen positiven Trend hin zur Reduzierung der Produkte beziehungsweise Artikel auf dem Markt, die diese Weichmacher enthalten. Klar ist aber auch, dass bei diesen Produktgruppen weiterhin ein Verbesserungspotenzial bezüglich der chemischen Sicherheit besteht, was die nach der „REACH“-Verordnung verbotenen Weichmacher angeht. Das ergibt sich aus den Untersuchungsergebnissen und Beanstandungsraten beispielsweise der letzten fünf Jahre: Von rund 200 bis 500 pro Jahr im IfB auf Weichmacher untersuchten Proben wurden jährlich etwa fünf bis zwölf Prozent beanstandet.
Wie schütze ich mich vor schädlichen Phthalaten in verschiedenen Produkten?
Verbraucherinnen und Verbraucher können sich in gewissem Maße vor solchen „Überraschungsprodukten“ schützen, indem sie zum Beispiel Produkte beziehungsweise Artikel bekannter Firmen und Hersteller kaufen. Zudem ist es empfehlenswert, Produkte (ob Spielwaren oder andere Verbraucherprodukte) im niedrigen Preissegment aus Drittländern, die meistens durch Sonderposten oder so genannte Euroshops vertrieben werden, zu meiden oder auf verschiedene Produktgruppen aus Alternativmaterialien auszuweichen (zum Beispiel Spielwaren aus Holz oder Naturkautschuk, Regenbekleidung aus Gummi oder Polyurethan statt PVC).
Kurzer Ausflug in die Chemie - was ist PVC, was sind Phthalate?
Polyvinylchlorid-Kunststoff (PVC)
Polyvinylchlorid ist ein Kunststoff, der zur Gruppe „Thermoplaste“ (verformbar unter Temperatureinwirkung) gehört und aus wenig verzweigten, linearen Kohlenstoffketten beziehungsweise Polymerketten, die unter anderem Chlormoleküle enthalten, besteht. Der Kunststoff wird aus dem Monomer Vinylchlorid durch radikalische Polymerisation hergestellt. Grundsätzlich ist PVC hart und spröde. Durch die Zugabe von Weichmachern, die die intermolekularen Anziehungskräfte zwischen den Polymerketten herabsetzen, kann der Kunststoff weich und biegsam gemacht werden. Daher wird zwischen Weich- und Hart-PVC unterschieden. Weichmacher sind also im PVC-Polymer nicht chemisch gebunden und können daher mit der Zeit herausmigrieren, das Polymer beziehungsweise das Material wird dann porös und spröde. Durch die verschiedenen Eigenschaften und Variationsmöglichkeiten sowie Anpassungsfähigkeit des Materials ergibt sich eine Vielzahl von Anwendungen, wie zum Beispiel Herstellung von Rohren (Abwasser, Wasser), Kabelummantelungen, Kunstleder, Bodenbelägen, Spielwaren und weiteren Verbraucherprodukten, Einsatz im Industriebreich.
Phthalate
Phthalate (Phthalsäureester) sind chemische Verbindungen, die als Reaktionsprodukte der Phthalsäure mit verschiedenen Alkoholen oder Phenolen entstehen. Aufgrund ihrer Struktur und Eigenschaften finden sie eine breite Anwendung auf mehreren Gebieten. Eine davon ist beispielweise der Einsatz als Weichmacher. Phthalate weisen eher einen lipophilen Charakter sowie hormonähnliche Eigenschaften auf, die ihnen unter anderem das Eindringen in den Körper beziehungsweise Organe erleichtern (zum Beispiel Exposition über die Haut oder Schleimhäute beim dauerhaften Kontakt). Insbesondere die Phthalate DEHP, DBP, DiBP und BBP sind toxikologisch relevant. Sie sind gemäß Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 sowie Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 („REACH“-Verordnung) als reproduktionstoxisch beziehungsweise fortpflanzungsgefährdend Kategorie 1B eingestuft, das heißt, sie wirken negativ auf die Fruchtbarkeit bei Mann und Frau. Die Verwendung dieser Phthalate unterliegt in der Europäischen Union einer Zulassung durch die Europäische Chemikalienagentur. Der Einsatz in Spielwaren, Babyartikeln und weiteren Erzeugnissen ist ab einer Konzentration von 0,1 Gewichtsprozent verboten.