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PFAS in Papiergeschirr – Papier für die Ewigkeit

Auf Einweggeschirr aus Papier liegen verschiedene Speisen.   Bildrechte: © LAVES/M. Mäder
Einwegpapiergeschirr

Wärmeres Wetter lädt zum Essen im Freien ein. Beim Picknick im Park oder auf Grillplätzen ersetzen häufig Einwegprodukte das gute Geschirr aus der Küche. Früher waren diese aus Kunststoff, heutzutage muss oder soll es nachhaltiger sein. Was liegt da für die Hersteller sowie Verbraucherinnen und Verbraucher näher als auf Papier umzusteigen. Wer allerdings schon mal Öl oder Wasser auf unbeschichtetes Papier gegeben hat, kennt es: Öl und Wasser ziehen in das Papier ein. Hier kommen Oberflächenbeschichtungen basierend auf polyfluorierten Alkylsubstanzen (kurz: PFAS) ins Spiel. Die Verbindung aus Fluor und Kohlenstoff sorgt dafür, dass Papier sowohl Öl als auch Wasser abweist. Derart beschichtetes Papiergeschirr ist selbst für das Aufwärmen von Speisen in der Mikrowelle geeignet und bei höheren Temperaturen wasserfest und fettresistent. Alternative Beschichtungen mit Silikon oder natürlichen Polymeren sind in dieser Hinsicht weniger effektiv. Direkt zu den Untersuchungsergebnissen.

Unendlich nachhaltig?

PFAS sind wegen ihrer chemischen Stabilität auch bekannt als Ewigkeitschemikalien. Deshalb und wegen ihrer Toxizität steht ihre Anwendung in der Kritik, insbesondere dort wo der Nutzen fragwürdig ist – wie beispielsweise die Beschichtung von Papier. Es ist Aufklärung notwendig, um welche Art von PFAS es sich handelt. Die häufig präsenten Perfluoroctansäure (PFOA) sowie Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und weitere perfluorierte Säuren spielen bei Papier und weiteren Bedarfsgegenständen nur eine untergeordnete Rolle als Spurenverunreinigung. Diese Verbindungen kommen bereits allgegenwärtig in der Umwelt und damit auch in den Rohstoffen vor. Tatsächlich technisch eingesetzt werden heutzutage in erster Linie Ester (das sind chemische Verbindungen aus einer Säure und einem Alkohol) auf Grundlage von Phosphorsäure, Acrylsäure und Fluortelomeralkoholen. Diese Fluortelomeralkohole sind, im Gegensatz zu den vorgenannten Säuren, nur polyfluoriert, das heißt an einem Teil des Kohlenstoffs ist Wasserstoff statt Fluor gebunden [Bild 1]. Fluortelomeralkohole sind in der Umwelt instabil und werden zu den Carbonsäuren abgebaut. Diese wiederum sind stabil und reichern sich in der Umwelt an.

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[Bild 1] Strukturformel eines Fluortelomeralkohols (6:2-FTOH)

Papier auf dem Prüfstand

Das Institut für Bedarfsgegenstände Lüneburg (IfB) hat für die Bestimmung der Fluortelomeralkohole und seiner Ester in Papier ein Verfahren entwickelt. Es erfasst freie Fluortelomeralkohole und solche, die in Estern gebunden sind. Gemessen werden die Proben mit einem 2023 dafür angeschafften Messsystem (GC-MS/MS), das speziell auf diese Analytik ausgelegt wurde. Aufwendige Messtechnik ist jedoch nur für die rechtliche Absicherung erforderlich. Ein Tropfen Wasser und (Speise-)Öl sind ausreichend, um den PFAS in Papier auf die Schliche zu kommen. Bilden sowohl Wasser als auch Öl eine beständige Perle auf dem Papier ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass PFAS eingesetzt wurden [Bild 2]. Werden auch Sie zum PFAS-Detektiv.

Auf einem Papier sind zwei Tropfen zu sehen, einer aus Wasser (links) und einer aus Öl (rechts).   Bildrechte: © LAVES/M. Mäder
[Bild 2] Vorprobe auf PFAS mit Wasser (links) und Öl (rechts)

Aktuelle Untersuchungsergebnisse

Im Jahr 2024 untersuchte das IfB Lüneburg bisher etwa 40 Proben aus Papier und Bagasse. Bei Bagasse handelt es sich um Reste aus der Zuckerrohrproduktion, die ähnlich wie Papier verarbeitet werden. Von diesen Proben waren 20 in der Vorprobe mit Wasser und Öl positiv. Alle Produkte, die eine positive Vorprobe aufwiesen, enthielten PFAS [Diagramm 1]. In den meisten Fällen enthielten die Proben PFAS auf Basis der C6-Chemie; das heißt sechs fluorierte Kohlenstoffatome. Diese Beschichtung ist derzeit noch zulässig. Sie ist bis jetzt noch in der Empfehlung XXXVI des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) genannt, die als Leitfaden für die Herstellung von Papierprodukten dient. Diese PFAS stehen in der Kritik und ein Verbot ist in absehbarer Zeit zu erwarten. Eine Probe enthielt mittlerweile verbotene PFAS auf Basis der C8- und C10-Chemie. Gesetzliche Regelungen für die C8-Chemie finden sich in der Verordnung (EU) Nr. 2019/1021 und für die C-10-Chemie in der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006. Es konnten PFAS-Gehalte von bis zu über einem Gramm je Kilogramm Papier nachgewiesen werden. Einige der Proben enthielten darüber hinaus hohe Gehalte an freien Fluortelomeralkoholen. Diese können prinzipiell in Lebensmittel migrieren. Besonders kritisch zu betrachten sind Hinweise auf die Kompostierbarkeit dieser Produkte. Auf diesem Weg gelangen die PFAS direkt in die Umwelt. In großem Umfang ist dies im Rheintal geschehen, wo mit PFAS belastete Papierschlämme Kompost zugemischt wurden. Hier finden Sie einen Überblick zur PFAS-Problematik in Mittelbaden und Mannheim.

Im kleinen Umfang kann dies auch bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zuhause geschehen, wenn belastete Produkte im Gartenkompost landen. Über den Boden können die PFAS von Pflanzen aufgenommen werden und in Obst und Gemüse gelangen. Hier finden Sie weitere Informationen zum Übergang von PFAS in Gemüse.

Die Untersuchungen am IfB Lüneburg von Papier bestätigen die an anderer Stelle veröffentlichten Daten. Hier geht´s zum Artikel über PFAS in europäischen Proben.

Hier geht´s zum Artikel über PFAS in nordamerikanischen Proben.

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[Diagramm 1] Gehalte von freiem und über Ester gebundenem 6:2-FTOH

Textilien und Imprägniermittel im Blick

Für das Jahr 2024 sind weitere Untersuchungen geplant. Zukünftig werden auch Textilien und Imprägniermittel untersucht. Wegen ihrer einzigartigen Eigenschaften werden und wurden PFAS auch auf Textilien eingesetzt. Die Verwendung bei den sogenannten „Outdoor“-Textilien ist seit Jahren, insbesondere durch Informationskampagnen von Umweltorganisationen, rückläufig. Untersuchungen an Textilien, die zwar Körperkontakt haben, aber nicht am Körper getragen werden, wie Sitzkissen im Außenbereich, wurden bisher nur wenige durchgeführt.

Neue Regelungen für PFAS

Seitens des Gesetzgebers sind weitere Regelungen, wie beispielsweise das europaweite Verbot der C6-Chemie, zu erwarten. Ab 2025 ist von der europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eine weitgehende Beschränkung der PFAS geplant. Dazu gehören beispielsweise die vom IfB Lüneburg untersuchten Beschichtungen auf Papier. Für die amtliche Überwachung bedeutet diese von der ECHA geplante Beschränkung einen Mehraufwand. Die Regulierung beinhaltet beispielsweise einen Summenparameter für Fluor, der zusätzliche Messtechnik erfordert. Nur mit ausreichenden Ressourcen ist es möglich alle geplanten Beschränkungen zu überprüfen.

Ein Teil der auf dem europäischen Markt befindlichen Produkte wird aus Drittstaaten importiert. Die dazugehörigen Lieferketten sind nicht immer nachvollziehbar und die gesetzlichen Standards unterscheiden sich weltweit. Selbst in der europäischen Union gibt es unterschiedliche Gesetzgebungen. In Dänemark wären die vom IfB Lüneburg untersuchten Proben mit C6-Chemie nicht verkehrsfähig. Während diese, wie oben erwähnt, noch in der Empfehlung XXXVI des BfR genannt sind.

Die Verwendung von Papier wird in Zukunft aufgrund von Nachhaltigkeitsbestrebungen weiter zunehmen. Es ist wichtig, dass Produkte frei von Substanzen sind, die Mensch und Umwelt belasten können.

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In einem Radiointerview mit dem Deutschlandfunk spricht ein Experte vom Institut für Bedarfsgegenstände Lüneburg über die PFAS-Untersuchungen. Zu hören ist das Interview in der DLF-Sendung „Umwelt und Verbraucher“.

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