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Nachwachsende Kunststoffe?

Haushaltsgegenstände aus alternativen Materialien



Ob Teller, Besteck oder Becher - besonders für unterwegs oder für Kinder wird gerne Geschirr aus Kunststoff genutzt. Die sogenannten Lebensmittelkontaktmaterialien - also Gegenstände, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen - sind aus Kunststoff weit verbreitet und aus dem Lebensmittelhandel nicht mehr wegzudenken. Aufgrund des hohen Rohstoffeinsatzes und des möglichen Überganges (Migration) von Stoffen (insbesondere Additive) auf Lebensmittel, wünschen sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher Alternativen zu den auf Erdöl basierenden Kunststoffen. Artikel aus nachwachsenden Rohstoffen werden dabei als besonders umweltfreundlich und nachhaltig beworben.

Das Institut für Bedarfsgegenstände Lüneburg hat alternative Materialien und Produkte aus Rezyklaten auf die Erfüllung der Reinheitskriterien und eine mögliche Verbrauchertäuschung untersucht.


Während in der Lebensmittelindustrie als Alternativen Rezyklate (wiederverwertete Kunststoffe, ganz oder teilweise aus Materialien, die einem Recycling entstammen) und "Biopolymere", wie zum Beispiel Polymilchsäure oder Polyethylen aus Zucker eingesetzt werden, liegt insbesondere bei jungen Familien (Kinder-)Geschirr aus Maisstärke oder Bambusfasern im Trend. Gerade letztere erwecken durch ihre Kennzeichnung den Eindruck, besonders trendbewusst und umweltschonend zu sein, da sie mit Aussagen wie "kompostierbar" und "biologisch abbbaubar" beworben werden.


Untersuchung

Im Wesentlichen sollte überprüft werden, ob alternative Materialien und Produkte aus Rezyklaten die Reinheitskriterien für Lebensmittelkontaktmaterialien gemäß der europäischen Verordnung VO (EG) Nr. 1935/2004 erfüllen.

Viele Mehrwegartikel aus Bambus bestehen zum großen Teil aus Melamin-Formaldehyd-Harz. Somit handelt es sich bei diesen Artikeln nicht mehr um Naturmaterialien und sie fallen in den Geltungsbereich der europäischen Kunststoffverordnung (VO (EU) Nr. 10/2011).

In Produkten, bei denen die Infrarotspektroskopie (IR-Spektroskopie) Hinweise auf Melamin gab, wurden Untersuchungen zur spezifischen Migration von Formaldehyd und Melamin durchgeführt.

Auch wenn die Migrationsgrenzwerte von Produkten eingehalten werden, dürften diese dennoch nicht in der EU verkauft werden: Zum einen darf Bambus laut der VO (EU) Nr. 10/2011 nicht zur Herstellung von Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoffen verwendet werden. Zum anderen dürfen Lebensmittelkontaktmaterialien keine irreführenden Angaben (wie hier zum Beispiel „kompostierbar“) aufweisen. Besonders bei der Kennzeichnung wird auf eine mögliche Verbrauchertäuschung gemäß des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LGFB) geprüft.

Auch Berichten anderer staatlicher Untersuchungseinrichtungen war zu entnehmen, dass gerade Geschirr, welches angeblich aus Bambusfasern oder Maisstärke bestehen soll, in Wirklichkeit hauptsächlich aus Melamin-Formaldehyd-Harz besteht und in diesem der Grenzwert für Formaldehyd überschritten wurde.


Untersuchungsergebnisse des LAVES

eine Sammlung verschiedener Bambusprodukte für den Küchenbedarf Bildrechte: Roman Babakin - Fotolia.com
Ergebnisse 2019

Im Jahr 2019 wurden im Institut für Bedarfsgegenstände Lüneburg insgesamt 48 Proben Lebensmittelkontaktmaterialien aus Melamin mit Bambusanteil wie beispielsweise Geschirrsets, Coffee-to-go-Becher und Schalen untersucht. 22 Proben stammten aus Niedersachsen und 26 Proben aus den Ländern (Berlin/Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) der Norddeutschen Kooperation der Landeslabore (NOKO).

22 Proben wurden beanstandet: Fünf Proben (5-mal Niedersachsen) davon wegen Grenzwertüberschreitung für die Migration von Formaldehyd und 17 Proben (1- mal Niedersachsen, 16-mal NOKO) aufgrund der Verwendung des nach der Kunststoffverordnung (VO (EU) Nr. 10/2011) nicht zugelassenen Stoffes Bambus. Eine Probe wurde zusätzlich wegen irreführender Angaben zur Bioabbaubarkeit des Produktes beanstandet.

Kindergeschirr Bildrechte: © teressa - Fotolia.com
Ergebnisse 2018

Bereits im Jahr 2018 wurden im Rahmen einer Bachelorarbeit am Institut für Bedarfsgegenstände Lüneburg Lebensmittelkontaktmaterialien und auch andere Haushaltsgegenstände aus den oben genannten alternativen Materialien geprüft. Insgesamt wurden 33 Produkte, welche als besonders nachhaltig oder umweltschonend beworben wurden, untersucht. Mittels IR-Spektroskopie und Abgleich der Spektren mit einer Datenbank für Polymere konnte festgestellt werden, dass die hier vorliegenden Folienverpackungen und Beutel häufig aus Polymilchsäure (PLA) oder Cellulose hergestellt wurden.

Weiterhin war zu beobachten, dass viele Verpackungen aus Polyethylen (PE) oder Polyethylenterephthalat (PET) bestehen, welche entweder aus Rezyklat oder auf Basis nachwachsender Rohstoffe, wie zum Beispiel Zucker, hergestellt sein sollen (Herstellerangabe). Die tatsächliche Herkunft von PE und PET ließ sich im Labor nicht ermitteln. Als positiv zu bewerten ist, dass alle Produkte den Grenzwert für die Globalmigration nach der VO (EU) Nr. 10/2011 eingehalten haben.

Die Vermutung, dass auch alternative Kunststoffe unter Einsatz üblicher Additive (zum Beispiel Schmiermittel, UV-Stabilisatoren) hergestellt werden, konnte mittels hochauflösender Flüssigkeitschromatographie (LC-MS) bestätigt werden. Kritische Abbauprodukte, wie zum Beispiel das 2,4-Di-tert-Butylphenol (Abbauprodukt des Stabilisators Irgafos 168), konnten in PE-Rezyklaten nachgewiesen werden.
Als besonders kritisch mussten Produkte aus Bambusfasern (zum Beispiel Kindergeschirr) bewertet werden, welche als umweltfreundlich oder als "Alternative zu klassischen Kunststoffen" beworben wurden.
Bei allen fünf untersuchten Lebensmittelkontaktmaterialien aus Bambus konnte Melaminharz mit Gehalten zwischen 20 - 80 Prozent nachgewiesen werden. Die Migrationsgrenzwerte aus der VO (EU) Nr. 10/2011 für Formaldehyd und Melamin wurden jedoch knapp eingehalten.

Dennoch wurden alle fünf Bambusproben wegen irreführender Aufmachung beanstandet und somit ein Verstoß gegen Vorschriften zum Inverkehrbringen festgestellt.

Tipps für Verbraucherinnen und Verbraucher

Grundsätzlich gilt, dass Produkte aus Melamin-Formaldehyd-Harz nicht beim Kochen oder Erhitzen von Lebensmitteln in der Mikrowelle eingesetzt werden sollten. Der Kunststoff Melamin-Formaldehyd-Harz besteht nämlich aus den Grundbausteinen Melamin und Formaldehyd – zerkleinerte Bambus-, Mais- oder Speisestärke werden vielfach nur als Füllstoff bei der Herstellung von Bambusgeschirr zugesetzt. Küchenutensilien aus Melamin-Formaldehyd-Harz können beim Kochen von säurehaltigen Lebensmitteln Melamin und Formaldehyd abgeben, die in das Lebensmittel übergehen können. Mit der Aufnahme von Melamin und Formaldehyd können gesundheitliche Risiken verbunden sein1: Melamin kann Blase und Nieren schädigen, Formaldehyd ist haut- und schleimhautreizend und kann beim Einatmen krebserzeugend wirken.


1 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Fragen und Antworten zu Geschirr und Küchenutensilien aus Melamin-Formaldehyd-Harz


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