LAVES Logo mit Schriftzug Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Niedersachsen klar Logo

Fragen und Antworten zu Dioxinen und Polychlorierten Biphenylen (PCB)

Nahrungsmittel tierischen Ursprungs (Fleisch, Fisch, Eier und Milch) auf weißem Hintergrund Bildrechte: © volff - stock.adobe.com
Nahrungsmittel tierischen Ursprungs (Fleisch, Fisch, Eier und Milch)

Allgemeines

Dioxine⁠ und dioxinähnliche polychlorierte Biphenyle werden zur Gruppe der halogenierten persistenten organischen Schadstoffe gezählt, auf die infolge ihrer umweltchemischen und toxikologischen Eigenschaften ein hohes Augenmerk im Verbraucherschutz gerichtet wird. Trotz verschiedener Maßnahmen zur Beschränkung der Emissionen sind diese Stoffe aufgrund ihrer Langlebigkeit überalllverbreitet in der Umwelt vorhanden. Sie kommen in der Luft, in Böden und Gewässersedimenten vor und finden so ihren Weg in die Nahrungskette von Tier und Mensch. Daher ist das Ziel des gesundheitlichen Verbraucherschutzes mögliche Belastungspfade durch Untersuchung von Futtermitteln und Lebensmitteln aufzuspüren.

Was sind Dioxine?

Unter dem Oberbegriff „Dioxine“ werden die Stoffklassen der polychlorierten Dibenzo-p-dioxine (PCDD, 75 Kongenere) und der polychlorierten Dibenzofurane (PCDF, 135 Kongenere) zusammengefasst. Dioxine liegen stets als komplexe Gemische von Einzelverbindungen, den sogenannten Kongeneren, vor. Chemisch handelt es sich um cyclisch halogenierte aromatische Ether oder Diether. Mit zunehmendem Chlorierungsgrad steigen Dichte, Fettlöslichkeit und Umweltpersistenz an, während Flüchtigkeit und Reaktionsvermögen sinken. Aufgrund ihrer physikochemischen Eigenschaften reichern sich Dioxine in Böden, Sedimenten und in der Nahrungskette an [Sinkkonen et al., 2000].

Als Kontaminanten sind Dioxine im Gegensatz zu den polychlorierten Biphenylen (PCB) nie Ziel industrieller Prozesse beziehungsweise technischer Verfahren gewesen. In erster Linie werden sie bei thermischen Prozessen durch unvollständige Verbrennung (illegale Abfallverbrennung, Hausbrände, Metallerzeugung und -recycling) in Gegenwart von Chlor gebildet und in die Umwelt emittiert (ausgestoßen). In der Vergangenheit sind weiterhin technische Verfahren der Zellstoff- und Papierindustrie, der Textilreinigung und PCB-Herstellung von Bedeutung gewesen.

Die Anwendung von Produkten der Halogen- beziehungsweise Chlorphenolchemie, die mit Dioxinen verunreinigt waren, hat ebenfalls für Einträge in die Umwelt gesorgt. Beispiel hierfür ist das aufgrund seiner fungiziden und bakteriziden Eigenschaften im Holz- und Bautenschutz eingesetzte Pentachlorphenol. Ebenfalls sind mit der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Nutzung von 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure, die zudem als Bestandteil des Entlaubungsmittels „Agent Orange“ in großem Maßstab im Vietnamkriegs zum Einsatz kam, Dioxine großflächig in Umlauf gebracht worden.

Was sind dl-PCB?

Polychlorierte Biphenyle (⁠PCB⁠) gehören wie Dioxine zur Gruppe der chlorierten Kohlenwasserstoffe, wobei am Grundgerüst eines Biphenyls eine unterschiedliche Anzahl von Wasserstoffatomen durch Chloratome substituiert ist. Nach Anzahl und Stellung der Chloratome sind theoretisch 209 ⁠Kongenere möglich. Zwölf PCB-Kongenere werden aufgrund der zu den Dioxinen ähnlichen räumlichen und elektronischen Struktur als dioxinähnliche PCB (dioxin like PCB, dl-PCB) bezeichnet. Hierzu zählen die non-ortho-Kongenere PCB 77, PCB 81, PCB 126 sowie PCB 169 und mono-ortho-Kongenere PCB 105, PCB 114, PCB 118, PCB 123, PCB 156, PCB 157, PCB 167 sowie PCB 189. Das Kongener mit der höchsten dioxinähnlichen Wirkung und Humantoxizität ist das 3,3',4, 4',5-Pentachlorobiphenyl (PCB 126).

Im Gegensatz zu Dioxinen sind PCB aufgrund ihrer technofunktionellen Eigenschaften weltweit im Tonnenmaßstab produziert und in großem Umfang in die Umwelt gelangt. PCB zeichnen sich unter andeerem durch ihre chemische Beständigkeit, dielektrische Eigenschaften sowie Wärmeleitfähigkeit in Kombination mit ihrer geringen Brennbarkeit, Wasserlöslichkeit und Flüchtigkeit aus. Als technische Gemische sind PCB einerseits in geschlossenen Systemen, unter anderem als Isolier- und Kühlflüssigkeit in Transformatoren, als Dielektrikum in Kondensatoren und als Hydrauliköle (Hubwerkzeuge, Getriebe im Untertagebau) zum Einsatz gekommen. Andererseits sind sie auch in offenen Systemen als Weichmacher für Lacke, Farben, Kunststoffe, Kitte und Wachse, als Schmierstoffe (zum Beispiel Getriebeöle), als Imprägnier- und Flammschutzmittel, als Baumaterialien (Dehnfugen) und als Formulierungen von Pflanzenschutzmitteln verwendet worden.

Neben den positiven technofunktionellen Eigenschaften hat die Verwendung von PCB eine Vielzahl an Nachteilen, darunter die hohe Umweltpersistenz, kumulative Effekte in der Nahrungskette, Anreicherung im Fettgewebe beziehungsweise in fetthaltigen Organen von Mensch und Tier, geringe Metabolisierung, chronische Toxizität, eine technisch aufwendige und teure Entsorgung und ihr Potential bei thermischen Prozessen Dioxine freizusetzen.

Wie wirken Dioxine und dl-PCB auf die menschliche Gesundheit?

Toxikologisch ist zwischen akuter und chronischer Toxizität von Dioxinen und dl-PCB zu unterscheiden. Akute Intoxikationen treten äußerst selten, meist in Verbindung mit Unfällen, Bränden oder bei beruflich bedingter Exposition, durch Aufnahme hoher Mengen an Dioxinen beziehungsweise dl-PCB über einen kurzen Zeitraum auf. Kennzeichnend für eine akute Vergiftung ist das Auftreten von Chlorakne, die sich in einer gestörten Talgdrüsenfunktion der Haut äußert. Ebenfalls sind unspezifische Symptome, darunter schwere Störungen des Allgemeinbefindens, Schädigung der Leber und neurotoxische Wirkungen, beschrieben worden.

Dioxine und dl-PCB zeichnen sich durch eine hohe Langlebigkeit aus, wobei je nach Kongener Halbwertszeiten für den metabolischen Abbau zwischen einem Jahr und mehreren Jahrzehnten liegen können [Ogura, 2004]. Aufgrund der Fettlöslichkeit findet eine Anreicherung im Fettgewebe und fetthaltigen Organen über die Dauer der Exposition kontinuierlich statt. Daher ist die chronische Toxizität der Substanzen, die nach langfristiger Aufnahme geringer Mengen an PCDD/F bezi dl-PCB auftritt, von großer Bedeutung. Hierbei sind neurotoxische, reproduktionstoxische und fruchtschädigende Wirkungen sowie Störungen des Immunsystems beschrieben worden. Das nach dem Chemieunfall in Seveso 1976 auch als „Seveso-Gift“ benannte 2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzo-p-Dioxin (2,3,7,8-TCDD) ist neben 2,3,4,7,8-PeCDF und PCB 126 als krebserzeugend eingestuft worden [IARC, 2012].

Wie werden Dioxine und dl-PCB vom Menschen aufgenommen?

Da Dioxine und dl-PCB überall in der Umwelt vorkommen, lässt sich ein Transfer in die Nahrungskette nicht vermeiden. Nutztiere nehmen diese Stoffe hauptsächlich über Bodenpartikel beziehungsweise Futtermittel auf. Die Stoffe reichern sich im Fettgewebe und fetthaltigen Organen von Tieren an, weshalb Nahrungsmittel tierischen Ursprungs (Fleisch, Fisch, Eier und Milch) die Hauptquelle für die Aufnahme von Dioxinen und dl-PCB darstellen.

Von verschiedenen Stellen sind Richtwerte für eine aus gesundheitlicher Sicht noch unbedenkliche Aufnahmemenge an Dioxinen und dl-PCB erarbeitet worden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2000 eine tolerierbare tägliche Aufnahme (Tolerable Daily Intake = TDI) von ein bis vier pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro kg Körpergewicht abgeleitet. Da sich die Stoffe im Körper anreichern, ist vom Scientific Committee on Food (SCF) 2001 eine tolerierbare wöchentliche Aufnahme (Tolerable Weekly Intake = TWI) von 14 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro kg Körpergewicht und vom Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA) eine vorläufige tolerierbare monatliche Aufnahme (Provisional Tolerable Monthly Intake = PTMI) von 70 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro kg Körpergewicht abgeleitet worden.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat aufgrund einer neuen Risikobewertung den TWI 2018 auf zwei pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ pro kg Körpergewicht gesenkt.

Welche Bemühungen werden zur Reduzierung der Exposition unternommen?

Dioxine und dl-PCB gelten als unerwünschte Stoffe in der Nahrungskette, weswegen verschiedenen Maßnahmen zur Reduzierung der Gehalte in Lebensmitteln vorgenommen worden sind. In den 1980er Jahren ist einerseits die Anwendung von PCB auf geschlossene Systeme beschränkt und Jahre später ein Verbot der Herstellung, der Verwendung und des Handels von PCB in Deutschland umgesetzt worden. Andererseits ist in den 1990er Jahren ein Anwendungsverbot für 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure und Pentachlorphenol erlassen und Grenzwerte für Abfallverbrennungsanlagen festgelegt worden. Folglich sind die Neueinträge von Dioxinen und dl-PCB in die Umwelt seit mehreren Jahrzehnten rückläufig.

Allerdings spielen sekundäre Einträge aus Deponien, Sickerwässern, Klärschlämmen, Altöl, Kompost sowie Holzschutzmitteln in Innenräumen weiterhin eine große Rolle, sodass auf europäischer Ebene ein Drei-Säulen-Konzept für die Beurteilung von Gehalten an Dioxinen und dl-PCB in Lebensmitteln und Futtermitteln entwickelt worden ist. Dieses beinhaltet folgende Punkte:

  1. die Festlegung von Höchstgehalten einerseits für Dioxine in Lebensmitteln und Futtermitteln, andererseits für die Summe aus Dioxinen und dl-PCB in Lebensmitteln und Futtermitteln. Dies soll der Vermarktung hoch belasteter Erzeugnisse vorbeugen.
  2. die Festlegung von Auslösewerten mit dem Ziel Belastungen zu erkennen, die deutlich über den Hintergrundwerten liegen. Bei Überschreitung von Auslösewerten gilt es die Quellen der Kontamination zu ermitteln und weitere Emissionen möglichst zu unterbinden. Da Dioxine und dl-PCB aus unterschiedlichen Quellen stammen, gelten getrennte Auslösewerte für beide Stoffgruppen.
  3. die Festlegung von Zielwerten, die sich am TDI der WHO orientieren. Die Zielwertdiskussion wurde ausgesetzt.
HRGC/HRMS-Messplatz zur Bestimmung von Dioxinen und PCB.  
HRGC/HRMS-Messplatz zur Bestimmung von Dioxinen und PCB.

Wie werden Lebensmittel und Futtermittel auf Dioxine und dl-PCB untersucht?

Analytisch werden 17 Kongenere der Dioxine und 12 Kongenere der dl-PCB zur Einschätzung der gesundheitlichen Bedenklichkeit von Lebensmittel- und Futtermittel-Proben herangezogen. Hierzu werden jährlich im Rahmen von verschiedenen Untersuchungsprogrammen (zum Beispiel Monitoring, KOPKONT, BüP) sowie Untersuchungsaufträgen aus anderen Bundesländern (zum Beispiel NOKO, Importproben, Amtshilfe) bis zu 1.300 Proben am Lebensmittel- und Veterinärinstitut Oldenburg des LAVES untersucht.

Zur Bestimmung von Dioxinen und dl-PCB in Lebensmitteln und Futtermitteln ist die Anwendung mehrstufiger Aufarbeitungsverfahren notwendig, da die Stoffe in der Regel nur in einer Größenordnung von pg/g oder ng/kg im Ausgangsmaterial vorhanden sind. So ist die Bestimmung von Dioxinen und dl-PCB in Lebensmitteln und Futtermittel vergleichbar mit dem Nachweis von einem Stück Würfelzucker im Bodensee.

Aufgrund der Fettlöslichkeit der Kongenere wird aus dem homogenisierten Probenmaterial zunächst die Fettfraktion durch Extraktion gewonnen. Anschließend findet zur Abtrennung von Störkomponenten eine Reinigung des Fettextraktes in einem mehrstufigen Verfahren statt. Auf diese Weise lassen sich Dioxine und dl-PCB so weit anreichern, dass sie mittels hochauflösender Gaschromatographie in Verbindung mit hochauflösender Massenspektrometrie (HRGC/HRMS) unter Einsatz isotopenmarkierter Standards quantifiziert werden können. Messtechnisch ermöglicht eine Massenauflösung von m/z = 10.000 eine selektive und präzise Bestimmung der Kongenere und minimiert Interferenzen mit anderen Klassen polychlorierter aromatischer Verbindungen.

Wie wird der Gehalt an Dioxinen und dl-PCB in Lebensmitteln und Futtermitteln bewertet?

Die Beurteilung von Gehalten der toxikologisch relevanten Kongenere erfolgt mit Hilfe von „TCDD-Toxizitätsäquivalenten“ (TEQ-Werte), sodass der unterschiedlichen Toxizität der Kongenere Rechnung getragen werden kann. Das 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) ist neben dem 1,2,3,7,8-Pentachlordibenzodioxin (PeCDD) mit dem größten Gefährdungspotential eingestuft worden, weshalb die akute Toxizität der anderen Kongenere relativ zu TCDD angegeben wird. Mit dem Konzept der Toxizitätsäquivalenzfaktoren (TEF) lassen sich Messergebnisse der toxikologisch relevanten Kongenere von Dioxinen und dl-PCB somit als quantifizierbare Einheit, den sogenannten „TCDD-Toxizitätsäquivalent“ (TEQ), ausdrücken. Das Berechnungsmodell ermöglicht den Gehalten und der unterschiedlichen Toxizität der einzelnen Kongenere Rechnung zu tragen. Die TEF-Werte werden anhand unterschiedlicher Studien ermittelt und bei neueren Erkenntnissen aktualisiert. Seit 2012 werden TEQ-Werte verwendet, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2005 vorgeschlagen hat. Die Ergebnisse werden in WHO-PCDD/F-TEQ (2005) angegeben. Analog erfolgt die Berechnung des WHO-PCB-TEQ (2005) für Gehalte an dl-PCB. Diese werden aufgrund des analogen Wirkprofils mit dem WHO-PCDD/F-TEQ zu einem Summenwert (Gesamt-WHO-TEQ) zusammengefasst.

Welcher rechtliche Rahmen gilt für Dioxine und dl-PCB in Lebensmitteln und Futtermitteln?

  • Verordnung (EU) 2023/915 der Kommission vom 25. April 2023 über Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006
  • Empfehlung 2013/711/EU der Kommission vom 03.12.2013 zur Reduzierung des Anteils von Dioxinen, Furanen und PCB in Futtermitteln und Lebensmitteln, zuletzt geändert durch Empfehlung der Kommission 2014/663/EU vom 11.09.2014.
  • Richtlinie 2002/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Mai 2002 über unerwünschte Stoffe in der Tierernährung.
  • Verordnung (EU) Nr. 277/2012 der Kommission vom 28.03.2012 zur Änderung der Anhänge I und II der Richtlinie 2002/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Höchstgehalte und Aktionsgrenzwerte für Dioxine und polychlorierte Biphenyle.
  • Verordnung (EU) Nr. 744/2012 DER KOMMISSION vom 16. August 2012 zur Änderung der Anhänge I und II der Richtlinie 2002/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Höchstgehalte für Arsen, Fluor, Blei, Quecksilber, Endosulfan, Dioxine, Ambrosia spp., Diclazuril und Lasalocid-A-Natrium sowie der Aktionsgrenzwerte für Dioxine.
  • Verordnung (EU) 2019/1869 der Kommission vom 7. November 2019 zur Änderung und Berichtigung von Anhang I der Richtlinie 2002/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Höchstgehalte an bestimmten unerwünschten Stoffen in der Tierernährung.

Literatur

IARC Working Group. Chemical agents and related occupations IARC monographs of the evaluation of carcinogenic risks to humans. IARC 100F: 339-378, Lyon, France (2012).

Ogura, Isamura. Half-life of each dioxin and PCB congener in the human body. Organohalogen Compounds 66: 3376-80 (2004).

Sinkkonen, Seija; Paasivirta, Jaakko. Degradation half-life times of PCDDs, PCDFs and PCBs for environmental fate modeling. Chemosphere 40 (9-11): 943-949 (2000).

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln